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Alt 19.03.2014, 21:13
Henning Sp Henning Sp ist offline
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Standard AW: nierenkrebs-thessaloniki(Griechenland)

Hallo Sidisula, hallo Second,

Ich glaube ich reihe mich bei euch beiden als besorgte Ehefrauen mal ein bißchen ein, in der Hoffnung euch beide etwas aufmuntern zu können.

Wenn ich das so recht bei euch lese, bin ich sogar schon etwas länger dabei (mein Mann hatte seine Diagnose einschließlich vieler Lungen und Knochenmetastasen im April 2010, vielleicht habt ihr schon mal in meinem Thread gelesen, obwohl - er ist inzwischen schon sehr sehr lang - aber trotzdem bleibt es irgendwie übersichtlicher, wenn man nicht ständig neue Threads aufmacht)

Bei uns war es in den fast vier Jahren wirklich auch alles andere als entspannt ( Herzinfarkt während Nierenop, erfolglose Lungenop, nicht wieder zu geilte Kiefernekrosen OP, Hüft OP bei der sich eine Schraube gelöst hat und und......viele viele weitere Kleinigkeiten auf die ich gar nicht eingehen will.

Das POSITIVE, mein Mannn ist aber mehr oder weniger seit diesen vier Jahren unter ein und dem selben Medikament stabil ( was allerdings normalerweise erst immer als Zweitlinientherapie Therapie eingesetzt wird)
Ihr könnt mir glauben, ich war mehr als einmal am Boden zerstört.

Aber darum geht es mir hier heute gar nicht, denn ich will euch ja motivieren, auch wenn es bestimmt verständlicherweise schwer ist.

Zunächst zu dir liebe Sidisula. Du schreibst, dass dein Mann so oft Schmerztabletten braucht trotz Bestrahlung. Als mein Mann seine schlimmste Phase hatte, mit seinen Hüft/ Beinschmerzen, hat er letztendlich 1 1/2 Jahre unter hochdosierter Schmerztherapie einschließlich Morphium gestanden (seit einem Jahr ist er da komplett wieder von runter). Ich hatte tierische Angst, dass er abhängig wird.

Wichtig ist aber, dass die Schmerzmittel wirklich in einem festen kontinuierlichen Rhythmus eingenommen werden, damit sogenannte Schmerzspitzen vermieden werden. Und es sollten natürlich die richtigen Medikamente sein, wegen der Nierenwerte. Bei uns hat der Wecker alle paar Stunden, auch des nachts geklingelt damals.

Das Problem bei den Knochenmetastasen ist einfach, dass die Knochenhaut mit sehr vielen Nervenfasern durchzogen ist und dadurch bei einer Metastase diese starken Schmerzen entstehen. So hat man es uns erklärt. Wo genau sitzt denn bei deinem Mann die Beckenmetastase und wie groß ist diese? Wäre ein Hüft OP (Endoprothese) evtl. eine Möglichkeit ihm zu helfen?

Du hast anfangs geschrieben, dass ihr darüber nachdenkt, evtl. nach München zu fahren? Ist das noch aktuell, bzw. Wie sieht das denn mit einer Kostenübernahme in so einem Fall mit der griechischen Krankenkasse aus?

Wenn ihr das wirklich vorhaben solltet, würde ich mich unbedingt zeitgleich dort in Der Tumororthopädie (gleiche Klnik) vorstellen. ( weitere Infos gerne per PN) Beide Ärzte kennen sich und arbeiten interdisziplinär auf jeden Fall zusammen. Terminlich würde man euch da auch ganz bestimmt schon alleine wegen der Entfernung entgegen kommen, da bin ich ganz sicher.

Ich bzw. Mein Mann und ich ärgern uns heute noch, dass wir diese Hüft OP nicht schon viel früher gemacht haben, ( auch mein Mann ist übrigens im Vorfeld bestrahlt worden), sondern dass wir leider erst warten mussten, bis er eine Fraktur hatte.

Wir sind ganz sicher ihm wäre viel erspart geblieben mit einer früheren OP. Aber egal, Schnee von gestern, heute geht es ihm soweit einigermaßen zufriedenstellend. Aber wie gesagt, die Kostensituation solltet ihr unbedingt klären. Ich weiß nicht ob so etwas sonst in Griechenland auch möglich ist? (Hoffe du verstehst mich da jetzt nicht falsch)

Das unser größtes Problem mal die Knochenmetastasen sein werden, hätte ich anfangs niemals geglaubt. Meine persönliche Angst waren immer die Lungenmetastasen eigentlich, denn mein Mann hat beide Lungenflügel von Anfang an voll damit und die gesamte Lungenoberfläche ist mit einem feinen kompletten Metastsenfilm überzogen (daher leider inoperabel, was man aber leider erst während der Lungen OP im Februar 2011 gesehen hat)

Und damit komme ich zu dir liebe Second. Ich hätte nie geglaubt dass man vier Jahre mit so vielen Metastasen in der Lunge leben kann ( und einige hier leben da ja schon noch viel länger, mit was ich für meinen und auch deinen Mann mir natürlich auch wünsche).

Ende letzen Jahres hatte mein Mann allerdings schon eine ziemlich heftige Pneumonitis, wodurch auch immer, wir wissen es nicht wirklich. Der Husten hat ihn tierisch gequält, so dass wir beide nächtelang kaum zur Ruhe gekommen sind, es war schon sehr langwierig und hat ihm damals sehr viel Lebensmut genommen. Aber dank einer entsprechenden antibiotischen Therapie und intensiven Inhalationen mit einem Parigerät haben wir auch das wieder in den Griff bekommen.

Hat dein Mann denn Husten oder Atemprobleme? Du weißt schon, dass unter Umständen Lungenmetastasen mit Cyberknife bestrahlt werden können, wenn sie nicht zu groß sind?

Ich weiß, jeder Fall ist anders und jeder hat seine eigenen Ängste. Ich will euch hier nicht zu optimistisch erscheinen denn auch ich frage mich manches mal wie ihr beide auch, woher nehme ich nur die Kraft. Ich weiß es eigentlich auch nicht. Bei mir sind die Tage besonders schlimm, wenn es draußen auch noch grau und trüb ist und womöglich noch regnet ( war eh noch NIE mein Ding).

Sobald aber die Sonne am Himmel wieder da ist, die Natur blüht und die Vögel womöglich morgens schon zwitschern, was ja jetzt hoffentlich demnächst ganz oft der Fall ist, geht es mir gleich immer viel besser und ich sehe alles positiver. Auch schöne Musik wirkt sich bei mir sehr stark auf’s Gemüt aus. Wenn aber womöglich mein Henning sogar mal ganz in Gedanken eine Melodie mitsummt, geht es mir dann besonders gut und ich denke sofort automatisch, „alles wird gut“.

Darüber hinaus ist es für mich manchmal fast unerträglich meinen Job zu machen. Ich denke dabei oft bei manchen meiner Kunden, die irgendein kleines Problemchen megamäßig aufbauschen, „Mensch ihr habt gar keine Ahnung von den wirklichen Problemen des Lebens“. Es fällt mir dann schon oft sehr, sehr schwer, mir nichts von dieser Stimmung anmerken zu lassen. Steht Ihr beide auch im Berufsleben? Wahrscheinlich. Ich bin jedenfalls sehr froh, dass ich seit gut einem Jahr meine Arbeitszeit reduzieren konnte.

Persönlich finde es auch sehr wichtig, mit der ganzen Situation im Familien und Freundeskreis immer offen umzugehen, damit man sich nicht abkapselt unter hinter dem Rücken getuschelt wird. Bei uns klappt das gut. Wenn ich diese Unterstützung durch mein Umfeld nicht hätte, wäre alles noch viel schwerer für mich. Aber jeder kann vielleicht auch nicht so offen damit umgehen.

Last not least, ziehe ich bzw. wir beide sehr viel Kraft und Zuversicht aus der Mitgliedschaft in einer tollen Patientenorganisation speziell für Nierenkrebs. Neben der jederzeit immer fachlichen Informationsmöglichkeit, ist es einfach super toll, dass man dort auf jährlich regelmäßig stattfinden Foren „Leidensgenossen“ persönlich kennen gelernt hat, mit denen man sich einfach austauschen kann, ähnlich wie hier, und wo sich auch teilweise Freundschaften mit einem ganz besonderen Stellenwert entwickelt haben

So ihr beiden, ich weiß es ist leider wieder ein Roman, passiert mir meistens, trotzdem hoffe ich von Herzen, das mir mein Motivationsversuch etwas geglückt ist.

In diesem Sinne, alles Liebe für euch und eure Liebsten

Sigrid

Geändert von Henning Sp (20.03.2014 um 14:06 Uhr) Grund: Korrekturen
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