Thema: meine mutti
Einzelnen Beitrag anzeigen
  #9  
Alt 15.02.2011, 23:28
kassis kassis ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 13.02.2011
Beiträge: 15
Standard AW: meine mutti

Ich möchte euch herzlich danken für eure Antworten. Ich glaube, ich muss euch nicht erklären, wie ich mich beim lesen fühle. Traurig und verstanden.

Ich habe heute Geburtstag. Ohne Mutti. Ich habe den Tag auch etwas geniessen können, Ablenkung tut gut. Aber sie verdrängt auch Raum um zu trauern. Meine Kinder schlafen, ich habe das nötigste im Haushalt erledigt und jetzt... jetzt ist alles so leer. Ich weine, und gleichzeitig ist alles so schwer in meinem Kopf. Das denken fällt schwer. Als ob ich mich vor zu tiefen Gefühlen und Erinnerungen/Bildern schützen will. Was passiert dann mit mir? Vielleicht bin ich auch einfach nur übermüdet, das Schlafen gehen wird bis zum äußersten rausgezögert, damit ich im Bett schnell einschlafe und nicht grübeln muss.

Kopf hoch, macht euch keine Sorgen hat Mutti zu uns gesagt, als die Ärzte ihr mitgeteilt hatten, das sie nichts mehr machen können. Sie wusste das sie nicht mehr lange Zeit hatte, aber so schnell? Damit hat selbst sie nicht gerechnet. Der Oberarzt hatte nur zu uns Angehörigen gesagt: Wir reden hier nicht mehr von Monaten.
Ok, uns bleiben vielleicht (insgeheim hoffentlich) vier Wochen. Dachten wir. Mutti sagte: Dann gehe ich ins Hospiz. Da stirbts sich auch nicht so schnell.
Sie wollte im Frühling noch einmal ihren Garten sehen.

Vier Tage hatten wir noch. Davon lag sie zwei im Sterben. Sie war keine Sekunde allein. Mein Vater ist mit ins Hospiz gezogen. Mein Bruder, ihre Schwester, ich wir waren immer da. Geschwister und engste Freunde kamen zum letzten Mal. Ihr Körper war so unruhig. Immer wieder wollte sie sich aufrichten. Die Hände so fahrig. Als ob sie was suchen, als ob sie was halten wollen. Manchmal redete sie Sätze, die wir nicht deuten konnten, gleichzeitig verstand sie aber, wenn sie etwas gefragt wurde. Ihr kleiner schwacher Körper, der aber selbst im Sterben eine Stärke ausstrahlte. Dennoch, ihr Körper war einfach fertig. Da war keine Kraft mehr drin. Wie sie da lag. Ganz gelb, ganz schmal, das Gesicht eingefallen, der Mund offen und den Kopf etwas hochgestreckt, damit sie besser Luft kriegt. Zum Schluss Morphium gegen die Schmerzen. Zwischen zwei Welten. Und nicht gehen wollen, nicht loslassen wollen.
Ach Mutti, du solltest mit Papa zusammen in eurem schönen Garten alt werden. An dich zu denken tut so schrecklich weh. Ich hoffe irgendwann werde ich statt Schmerz nur noch Dankbarkeit und Liebe fühlen. Das wünsch ich mir. Und das meine Kinder dich nie vergessen werden. Du bist für sie die beste Oma!

Danke, danke für euer Mitgefühl! Ich wünsche jedem von uns Kraft seinen "Trauerweg" zu gehen und schließlich seinen Frieden zu finden. Wir haben eine sehr sehr schwere Prüfung zu bestehen.

Seid herzlichst gedrückt,

Kassis
Mit Zitat antworten