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Alt 05.03.2011, 07:19
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HelmutL HelmutL ist offline
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Daumen hoch AW: Unsere Tochter, unser Engelchen (17) hat es nicht geschafft

Liebe Ute,

schon oft hab ich mir Gedanken darüber gemacht, was die Unterschiede sind, ob man Grosseltern, Eltern, Partner oder Freund/Freundin oder eben ein Kind verliert. Auch darüber geschrieben und viel gelesen. Es ist ein Unterschied. Klar, weh tut es immer.

Vielleicht ist es der Altersunterschied, der Unterschied in den Generationen, aus welchen Verstorbene und Hinterbliebene entstammen, was den grundsätzlichen Unterschied ausmacht? Vielleicht ist es die Tatsache, das sich die Trauer mit der Zeit wandelt von der Trauer, dass ein geliebter Mensch verstorben ist bis hin zu der Trauer über den eigenen Verlust? Inclusive aller Mischformen.

Oma und Opa sind "alt", relativ gesehen. Mama und Papa schon nicht mehr ganz so weit weg. Der Partner, die Freundin steht neben einem. Ein Kind zu verlieren hingegen ist wie ein Schuss in den Rücken. Dass die Generationen vor uns auch früher als wir selbst gehen müssen, ist, jetzt mal unabhängig vom Alter, irgendwie vorstellbar und entspräche dem normalen Verlauf des Lebens. Beim Partner ist es schon eher ein Fifty-Fifty, wer denn nun als erster geht. Sein eigenes Kind zu überleben, daran verschwendet man als Mutter oder Vater eigentlich kaum einen Gedanken. Obwohl, man würde sein eigenes Leben geben, um sein Kind zu schützen. Womit die "Ordnung" ja wieder hergestellt wäre. Das ist sehr viel Theorie und kann im wirklichen Leben ganz anders aussehen. Viele andere Faktoren spielen dabei auch noch eine Rolle.

Ich kann es mir beim besten Willen nicht wirklich vorstellen, wie es ist, das eigene Kind zu verlieren. Nur, alleine die Vorstellung wäre schrecklich.

Was heisst eigentlich "funktionieren".

Nicht nur man selbst funktioniert irgendwann mal wieder sondern auch die anderen um einen herum: Freunde, Bekannte, Nachbarn, Kollegen. Andere haben nicht die Beziehung zu dem oder der Verstorbenen wie man selbst und je weiter weg sie sind, umso weniger. Was nicht heisst, sie würden vergessen. Sie können ihre Trauer nur besser und leichter verarbeiten. Wenn sie selbst so eine Trauer wie du, oder wir, noch nicht erlebt haben, können sie auch nicht verstehen, was in dir/uns vorgeht. Das ist kein Fehler, das ist normal. Wir, in ihrer Lage, würden auch nicht anders handeln und denken.

Wie funktionieren wir als unmittelbar von der Trauer Betroffene? Zu Anfang ist die Trauer ein Feind, der uns auf den Rücken wirft, uns wehrlos macht. Der Schmerz ist fast unmenschlich. Die Trauer wird mit der Zeit zu einem Begleiter, wenn auch der Schmerz nicht unbedingt erträglicher, so jedoch ein Bekannter. Kein lieber Bekannter, doch verlässlich. Der eigene Überlebenswille, wenn auch noch so klein, bringt uns irgendwann dazu, die Trauer und den Schmerz in uns einzuschliessen. Es ist der Versuch mit und trotz des Verlustes zu leben.

Vor ein paar Tagen hab ich geschrieben: "Kannst du deinen Feind nicht besiegen, dann mach ihn zu deinem Freund!" Sehr grass, ich weiss. Ein Freund? Wahrscheinlich nie so ganz. Wenn überhaupt. Doch vielleicht zumindest "mit" ihm leben und nicht gegen ihn? Das mein ich mit "funktionieren".

Wenig tröstliche Worte für dich. Ich weiss. Doch vielleicht ein paar Gedanken?


Alles Liebe

Helmut
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