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Alt 23.03.2011, 08:56
Mümmelmann Mümmelmann ist offline
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Standard AW: Mischtumor + TIN

Hallo Schlummi,

ich kann hier leider nur aus eigener Erfahrung und das auch nur ziemlich oberflächlich berichten, weil mir das Wissen vieler User hier komplett fehlt. Aber vielleicht hilft es dir ja ein wenig.

Mein Tumor war etwas weiter fortgeschritten als deiner. Da gab es schon eine Gefäßinvasion. Allerdings waren im CT auch keine Metastasen nachweisbar und die Marker waren im Vergleich eher ein Witz. Dennoch wurden mir aufgrund des Umstandes, dass der Tumor bereits die Gefäße angeknabbert hatte, zwei Zyklen PEB verabreicht - zur Sicherheit.

Was so eine Chemo angeht, so kann man natürlich alle möglichen Nebenwirkungen aufzählen, die dabei auftreten können. Und einige davon sind ziemlich übel. Die Betonung liegt hier aber auf dem Wort "KÖNNEN". Für mich selbst war die Chemo...easy, könnte man sagen.
Ein Zyklus PEB ist 3 Wochen lang. Dabei bekommt man in der ersten Woche 5 Tage lang den ganzen Tag Chemo verabreicht. Die schütteten mir pro Tag da so an die 5 Liter Flüssigkeit rein (das meiste davon allerdings Kochsalzlösung). Angefangen hat es mit einem Mittel gegen Übelkeit. Dann kamen 3 Beutel mit dem netten Giftcocktail (auch verpackt in viel Kochsalzlösung). Und dann gab es nochmal 2 Beutel zum Spülen, wo Lasix mit drin war. Das dient dazu, einen Teil des ganzen Wassers wieder rauszukriegen. In der Phase des Tages war ich immer Dauergast auf der Toilette. Anschließend musste ich dann noch eine Flasche Wasser trinken (hätte ich auch als Infusion kriegen können, aber nach 6 Stunden will man nur noch weg vom Tropf).
Die Flüssigkeitsmenge war es dann auch, die mir die heftigsten Nebenwirkungen beschert hat. Wenn da plötzlich mehrere Liter zusätzlich durch deinen Kreislauf pumpen, findet der Körper das nicht so geil. Ich bekam einigermaßen heftiges Sodbrennen (wurde mit Tabletten behandelt), eine ziemlich rote Birne und ordentlich Druck im Kopf, der es teilweise schwer machte, im Bett zu liegen. Ich musste mich dann auch in der Nacht häufiger aufsetzen.
Allerdings ließ sich dieses Manko durch eine Erhöhung der Lasix-Dosis auch einigermaßen bekämpfen.

Nach der einen Woche im KH musste ich dann am jeweils 8. und 15. Tag des Zyklus ambulant ins Krankenhaus. Dort bekam ich nur einen kleinen Beutel von dem Chemozeugs lediglich in Verbindung mit dem Mittel gegen Übelkeit verabreicht und konnte dann gleich wieder gehen (Dauer ca. 45 Minuten).

Tja und nach 3 Wochen ging das Gleiche wieder von vorn los.

Gegen Ende des ersten Zyklus sind mir dann die Haare ausgefallen (Kopf, Bart, Schambereich). War etwas komisch, aber gerade als Mann gewöhnt man sich da eigentlich schnell dran, zumal heutzutage wirklich viele Kerle mit 'ner Platte rumlaufen und man nicht wirklich sagen kann, bei wem das Frisur und bei wem Chemoplatte ist. Aber die Haarproblematik ist generell das kleinste aller Probleme.
Ansonsten wuchsen mir auf dem Rücken und der Brust massiv Pickel, aber das war's dann auch schon. Ich habe mich während der gesamten Chemo nicht einmal übergeben. Ich hatte keine echten Schmerzen und nix. Nur müde war ich dann, aber sobald ich aus dem KH rauskam und 2-3 Tage ordentlich ausschlafen konnte (mach das mal im KH, wo sie die früh um 7 das Bett unterm Hintern wegziehen), war das auch okay.
Dafür habe ich während der Chemo gefressen, wie eine siebenköpfige Raupe. Teilweise war das sogar das beste Mittel gegen das Sodbrennen, was ich hatte. Meine Freundin war regelrecht schockiert, was ich da zum Teil verdrückt habe (Pizza + große Packung Pizzabrötchen und kurz darauf komplettes Tripple-Whopper Menü).

Was man noch anmerken muss, ist dass während der Chemo das Blutbild zum Teufel geht. Eine Chemo ist kein Präzisionsinstrument. Da wird mit der groben Kelle auf alle sich schnell teilenden Zellen draufgehauen und neben den Krebszellen erwischt es dabei eben auch die Haare und das Blut. Genaugenommen gehen die Blutplättchen (für die Gerinnung) und die weißen Blutkörperchen in den Keller. Das bedeutet, dass man sich möglichst nicht verletzen und keine Krankheiten einfangen sollte. Diese Werte werden dann sehr engmaschig kontrolliert, so dass die Ärzte da ggf. gegensteuern können. Ich bekam nach einiger Zeit Spritzen (nix Schlimmes). Wären die Werte noch weiter gesunken, hätten die mich zur Sicherheit stationär aufgenommen. Aber dazu kam es dann nicht. Ich habe halt Ansammlungen von Menschen vermieden, meine Hände gut desinfiziert und beim Kartoffelschälen aufgepasst.
Alles in allem war das also auch kein großer Deal, wenngleich es natürlich nervig war, jeden zweiten Tag ins Krankenhaus zu gurken und mich pieksen zu lassen.

Das ist natürlich nur meine Erfahrung. Während der Reha im Anschluss lernte ich 3 Leute kennen, die auch wegen Hodenkrebs dort waren bzw. den schon früher hatten. Der eine konnte während der Behandlung fast nix essen, bei dem anderen kribbelten nach der Chemo die Fingerspitzen ganz blöd (der hatte aber auch 3 Zyklen) und wieder ein anderer hatte (vor 10 Jahren) bei der Chemo komplett flachgelegen, sich die Seele aus dem Leib gekotzt (kein Mittel gegen Übelkeit erhalten?), Löcher in den Handflächen gekriegt etc.
Will heißen, jeder erlebt so eine Chemo anders. Ich kann dir leider nicht sagen, wie es bei dir aussehen wird. Aber du solltest nicht von vornherein davon ausgehen, dass du da nur noch alle 30 Minuten auf allen Vieren schmerzverkrümmt zum Klo kriechst, um dich zu übergeben. Gegen viele (die meisten?) Nebenwirkungen können die Ärzte was machen.

Was die Sache mit der Vaterschaft betrifft: Nach der OP musste ich bei verschiedenen Ärzten vorbeitingeln und mir Bestätigung holen, dass an gewissen Stellen keine Infekte vorliegen (Kiefer, HNO-Bereich). Außerdem wurde ein Spermiogramm in Auftrag gegeben (das Ergebnis war einfach nur kacke, aber trotzdem gut genug, um was einzufrieren) und ich habe 2 Dosen Sperma einfrieren lassen. Der Kostenpunkt hierfür lag bei 428 Euro für die erste + 60 weitere für die zweite Dosis, was ja mal eine ziemliche Ansage ist, zumal die Krankenkasse keinen Cent gezahlt hat (die wollten übrigens nach einem Jahr wieder 428 Euro, dafür dass sie die Soße ein weiteres Jahr im Tiefkühler lassen - geht doch nix über Bereicherung am Schicksal fremder Menschen).
Mir wurde gesagt, dass ich es nachwuchstechnisch im ersten Jahr nach der Chemo gar nicht erst versuchen muss. Und ursprünglich wollte meine Urologin im Januar 2011 ein Spermiogramm anfertigen lassen, um zu sehen, wie es in Sachen Fruchtbarkeit aussieht. Kann sie sich gepflegt in die Haare schmieren, denn im Juli werde ich Vater eines Mädchens. Was vor der OP+Chemo trotz mehrfacher "Unfälle" beim GV nicht geklappt hat, war plötzlich auch kein Ding mehr. Also schreib deinen Kinderwunsch nicht ab. Und selbst wenn du eine Chemo machst und die dir den verbliebenen Hoden komplett frittieren, hast du dann immer noch das eingefrorene Sperma und wenn da "nur" 2-3 Mio drin sind, dann werden die da sicher eins finden, was sie per künstlicher Befruchtung in eine Eizelle implantieren können.
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