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Alt 01.04.2011, 20:27
HeikeD. HeikeD. ist offline
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Standard AW: Geschenkte Zeit

Hallo, ihr Lieben,

ich hatte ja zuletzt im Januar geschrieben, dass die derzeitige MRT einen Stillstand des Metastasen-Wachstums bewirkt hatte.

Nachdem ich am 01.März 2011 den 5. Jahrestag meiner Diagnose feiern konnte, setzten kurze Zeit später wieder heftige Schmerzen im rechten Oberbauch ein. Da der TM bei den dreiwöchigen-Avastin-Gaben jedes Mal ein wenig höher ausgefallen war, beschloss der Onkologe, dass die turnusmäßige MRT wieder um einen Monat vorgezogen werden solle, sodass ich am 11.03.11 schon wieder in die Röhre geschoben wurde.

Leider war das Ergebnis niederschmetternd: Die Metas im Bauchraum waren weiterhin unverändert. Jedoch war die Meta in der Leber deutlich weiter gewachsen, so dass die Pfortader fast völlig zugedrückt wird.
Scheinbar war gerade diese Meta von den Avastin- und Treosulfan-Gaben völlig unbeeindruckt geblieben.

Mein Onkologe wies mich sehr eindringlich auf die sehr kritische Situation hin und setzte sich sofort mit einem Leber-Spezialisten in Verbindung, dem er dann später telefonisch den Befund übermittelte. Zunächst einmal meinte dieser, dass es sich so anhöre, als ob dort etwas zu machen sei. Daraufhin wurden ihm die Bilder zur Beurteilung zugeschickt.

Anfang dieser Woche rief dieser Professor mich nun an, um mir mitzuteilen, dass sich die Situation auf den Bildern deutlich schlechter darstellte, als es zunächst telefonisch den Eindruck gemacht hatte.

Er schilderte mir, an welch "ungünstiger" Stelle sich die Meta befände und sagte, dass es so gut wie unwahrscheinlich sei, sie entfernen zu können. Weiterhin käme dazu, dass sich der wirkliche Tatbestand erst bei Eröffnung des Bauchraumes darstellen würde, und dass man damit rechnen müsse, dass er "unverrichteter Dinge wieder zumachen" müsse.

Nachdem er mir dies geschildert hatte, stellte er mir die Frage, ob ich mich unter diesen Voraussetzungen diesem Eingriff überhaupt aussetzen wolle. Ich beantwortete ihm die Frage mit einem Satz: " Ich habe eine 15-jährige Tochter". Er war sehr verständnisvoll und vollendete das, was ich ihm eigentlich noch sagen wollte, aber vor lauter Weinen nicht mehr herausbrachte. Nämlich, dass ich um jedes bisschen Zeit kämpfe und alles versuchen möchte, was mich noch ein wenig länger am Leben hält.

Am nächsten Morgen rief er mich dann noch einmal an, und sagte mir, dass er gern versuchen wolle, die Pfortader wieder frei zu machen, wies mich jedoch noch einmal darauf hin, dass ich leider unbedingt damit rechnen müsse, dass es nicht gelingen würde.

So bekam ich den OP-Termin für den kommenden Donnerstag, den 07.04.11.
D.h., dass ich am Mittwoch um 5 Uhr früh hier loswerden fahre, um spätestens um 9.30 Uhr in seiner Kinik anzukommen.

Es ist alles sehr schwer! Ja, ich bin seit über 5 Jahren krank und war nur sehr kurze Zeit nach der ersten OP metastasenfrei. Ich habe 2 große OPs (davon eine mit intraperitonealer Hyperthermie) und zwei Thermo-Ablationen und 10 Bestrahlungen hinter mir. Weiterhin habe ich alle Zytostatika, außer Yondelis, bekommen. Dafür habe ich sehr viel Zeit geschenkt bekommen und bin dafür unendlich dankbar!

Nun habe ich die Nachricht bekommen, dass ich, wenn sich die Leber-Meta nicht entfernen, bzw. wenigstens verkleinern lässt, an Leberversagen sterben werde. Es wirkt so paradox: Natürlich fühle ich mich nicht superfit, aber ich kann noch alles machen..., habe durchaus Kraft, habe zur Zeit wieder alle Haare (nachdem ich dreimal alle Haare verloren hatte), habe viel Lebensfreude und die Leute sagen, ich sehe aus wie das blühende Leben........ Alles passt irgendwie nicht richtig zusammen!

Damit ich nicht wieder in tiefste Verzweifelung falle, versuche ich alles Schritt für Schritt "abzuarbeiten":
Punkt 1: Bis zum Donnerstag muss meine Leber durchhalten.
Punkt 2: Wenn ich aus der Narkose erwache, hoffe ich zu hören, dass die OP sehr lange gedauert hat und der Professor erfolgreich war.
Punkt 3: Da ich ja seit der letzten MRT weder Chemo, noch Avastin bekomme, hoffe ich, dass die anderen Metas nicht weiterwachsen, bis ich wieder Chemo bekommen darf.

Dies sind so viele Wünsche und wenn ich anfange zu grübeln, habe ich Angst, dass sie sich nicht erfüllen können. Da mir dann natürlich klar wird, was dann eintreten wird, bekomme ich Angstzustände.
Um dies zu vermeiden, versuchen meine Familie, meine Freunde und ich, mich mit allem möglichen abzulenken. Dies gelingt einigermaßen und jede Stunde, die vergeht, bringt mich der OP ein Stück näher.

Über die OP und das, was danach kommt, versuche ich, noch gar nicht nachzudenken. Die Erinnerung an die Zeiten nach den OPs drückt meinen Hals zu, aber ich habe die Schmerzen schon zweimal überstanden und würde es auch wieder schaffen!

Meine Lieben, ich brauche eure Daumen! Viele von euch werden mich gar nicht kennen, hier sind ja sehr viel "Neue", insbesondere Angehörige.
Dennoch bitte ich alle, die einen Daumen frei haben, um Mithilfe.
Besondern meine "alten Mitstreiterinnen", mit denen ich mich hier schon lange Zeit und sehr gerne ausgetauscht habe, bitte ich, mich in ihre wohlwollenden Gedanken einzuschließen!

Zum Schluss noch eins: Keiner weiß, wie es bei mir weitergehen wird. Auch wenn mein Weg nur noch kurz sein sollte, möchte ich hier noch einmal alle Betroffenen ermutigen, nicht aufzugeben. Ich habe wahrscheinlich alle Therapien bekommen, die möglich waren. Es war sehr, sehr anstrengend, aber: Ich habe viel Zeit geschenkt bekommen, durfte meine Tochter, die bei Diagnosestellung noch 10 Jahre alt war und übernächste Woche 16 Jahre alt wird, über 5 Jahre voller Liebe begleiten und hatte durchaus auch gute Zeiten.

Die Hoffnung hat mir immer wieder Mut und Kraft verliehen. Und genau das wünsche ich euch für euren Weg: Mut, Kraft und Zuversicht!

Liebe Grüße
Heike
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