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Alt 01.07.2011, 11:22
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: Nicht nichts ohne dich, aber nicht dasselbe.......

Stammtisch oder hier? Die Entscheidung fiel mir leicht. Heute will ich hier schreiben, hier am "ersten Stammtisch"

@Briele: Heute nun bin ich seit einem Jahr bereits ein "altes Halbwaisenkind" Wo ist die Zeit hin? Ein Jahr - und ich kann nicht sagen, ob ich wirklich in dieser Zeit einmal nur um den Verlust meines Vaters geweint habe. Geweint habe ich, aber die Gedanken galten nicht ihm alleine.

Liegt es daran, dass ich leichter Frieden finden kann mit dem Gedanken daran, dass DIESER Abschied in der Reihenfolge "richtig" war? Es sollte so sein, dass der Vater vor dem Kind geht. Alles andere wirbelt den Lebensplan noch mehr durcheinander, lässt in allem noch weniger den Lebenssinn erkennen.

Doch, ich habe geweint, an dem Abend, als er starb. Und ich frage mich noch heute: War ich wirklich so feige? Oder wollte ich instinktiv diesen Abschied alleine meiner Mama gönnen? Die Wochen zuvor waren wir wieder "Ursprungsfamilie" Stunden verbrachten wir an Papas Bett und ich sah, was geschah, sah es täglich deutlicher. Erinnerte mich an Worte von Bruni, die mir halfen, hoffentlich das Richtige für Papa zu tun. Anders als bei Claus, bewusster, behutsamer, bereit anzunehmen, bereit, ihn gehen zu lassen. Diese Stunden waren die schönsten seit Jahren. Er war so glücklich über seine Familie. Die Enkel kamen, um Abschied zu nehmen. Auch sie sahen diesmal mit anderen Augen. Und sie hatten die Stärke ihm zu zeigen: Wir lieben dich, egal wie du jetzt aussiehst, du bist in dieser Zeit ebenso unser Epa wie früher.. Und auf seinem letzten Weg machte er einen "Fehler" wieder gut. Er wollte Steffen sehen, fragte sehr oft nach ihm, um ihm seinen Segen zu geben, es hat so lange gedauert, bis Papa verstand, wie wichtig es gewesen wäre. Aber ich begriff auch, dass er diesen Segen nicht nur für die Gegenwart gab. Frieden schließen. Ja, wir haben ganz ehrlich Frieden geschlossen.

Diese letzte Zeit war tatsächlich eine sehr intensive.Doch an diesem letzten Tag war ich unruhig, wollte nach Hause, wollte nicht dabei sein. Ja, das denke ich: Ich wollte in diesem letzten intimen besonderen Augenblick nicht dabei sein. Ich fuhr heim und hatte tausend Gründe, noch nicht wieder zu meinen Eltern zu fahren. Aufschub, noch ein wenig. Ich habe diesen letzten besonderen Augenblick vor fast 7 Jahren mit meinem Mann geteilt. Dieser letzte besondere Augenblick soll ihm alleine gehören, solange es möglich ist.

Und es war gut so. Denn Mama konnte es ebenso als "schön" erleben. Sie erinnert sich nicht mit Schrecken, sondern eher mit Verwunderung: Wie kann man das Sterben eines geliebten Menschen als schönen Augenblick empfinden. Weil wir (wieder) Glück hatten. Sein Sterben war friedlich, sein Körper kämpfte keinen Todeskampf, es war alles gesagt und mit der Vergangenheit Frieden geschlossen. Ein Leben mit viel Leid, mit ebensoviel Freude, mit Streit und Liebe ging leise zu Ende. Für meine Mama natürlich dennoch zu früh, aber sie ist sich bewusst, dass sie gesegnet waren die beiden: 62 Jahre gemeinsamer Lebensweg und keine Stunde bereut. Ja, da kann man neidisch werden. Das war vielen von uns nicht vergönnt.

Und heute greifen wir für Mama unsere liebgewonnene Tradition auf: Wir feiern Papas Regenbogentag, bei uns. Mit der Familie, weil sie ihm bis zum Schluss sehr wichtig war - wenn er es auch nicht immer so deutlich zeigen konnt.

Wer weiß, vielleicht hat Claus ja dort wo sie jetzt sind ein wenig Einfluss auf unseren "Sturkopf", vielleicht kann er ja dort, wo sie jetzt sind, seine Prinzipien ein wenig loslassen und sie stoßen auf ein Wiedersehen an, an das ich ganz, ganz fest glaube. Denn sonst, nein, daran mag ich nicht denken.

Auf dich Papa!

LG
Andrea
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Που να 'σαι τώρα που κρυώνω και φοβάμαι
και δεν επέστρεψες