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Alt 24.07.2011, 16:48
Stoerchin Stoerchin ist offline
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Standard AW: das "brustkrebsgen" brca 1 / 2

Hallo Ihr Lieben,

heute möchte ich mich gern mal wieder zu Wort melden und erzählen, was es bei mir so Neues gibt. Also, ich muss schon sagen, dass ich recht stolz auf mich bin dafür, dass ich in den etwas über 4 Wochen, in denen ich von meiner BRCA1-Mutation weiß, schon so viel in Erfahrung gebracht habe. Der Reihe nach, sorry für den Autogrammstil, aber der macht es sicherlich etwas kürzer an dieser Stelle: in Düsseldorf zum Beratungsgespräch zu PM gewesen, Gespräch mit Arzt war so là là, Wartezeit auf OP-Termin sei so ca. 6 Monate. Ich müsste 3 bis 5 kg zunehmen - aaaarg, habe doch gerade so schön abgenommen - musste das jemand von Euch auch? Dann auf Station mit drei super-super lieben jugen Frauen gesprochen, denen jeweils eine Seite nach radikaler M. wieder aufgebaut worden war. Da blieb kein Tabuthema unberührt, ich durfte alles fragen und alles anschauen und anfassen. Das hatte ich mir so sehr gewünscht. Sie rieten mir alle dazu, mich operieren zu lassen, nicht nur wegen der sehr guten Ergebnisse, die ich ja auch gesehen habe (ziehe natürlich gedanklich einen gewissen Grad an Euphorie ab, denn sie haben ja eine enorme optische Verbesserung zu vorher erfahren), sondern auch aus den bekannten "Sicherheitsgründen". Die eine der Frauen (auch noch sehr jung) sagte zu mir "selbst jetzt, wo ich mit der Behadlung erstmal durch bin, werde ich immer, immer Angst haben, dass eine Tumorzelle noch da sein könnte und sich eines Tages irgendwo anders breit macht". Diesen Satz werde ich nie vergessen. Sie sagte auch "Du verlierst Jahre Deines Lebens mit einer Krebsbehandlung, überlege Dir, ob es nicht eine Option wäre, jetzt zu sagen 'ich lasse mich jetzt opiereren und dann könnt Ihr mich mit allem mal.'"

Dann am 20.7. Rundumcheck incl. MRT (juhuh, ich hab die Röhre geschafft, auf dem Bauch ist es wirklich nicht so schlimm wie auf dem Rücken). Ich in völlig gesund, das haben sie mir dort schon gesagt. Ich freu mich so. Eineinhalb Jahre nach dem Diagnose-Alter meiner Cousine (wer weiß, wann der BK bei Ihr anfing, zu wachsen, sie haben ihn ja gleich beim 1. Checkup ihres Lebens gefunden) haben sie nichts, nichts, nichts gefunden, auch keinen Verdachtsfall oder so.

Einen Tag später Termin bei einem gynäkologischen Onkologen. Der sollte mir die Gegenseite ohne OP beleuchten, bat ich ihn. Kurz: BK wächst viel langsamer als ich dachte, auch wenn jetzt ewas anfinge zu wachsen, also einen Tag nach meiner Untersuchung, wäre der in einem Jahr noch sehr sehr klein und bei sehr kleinen Tumoren käme man manchmal sogar ohne Chemo aus. Ein BRCA1-Tumor habe ich die gleiche Metastsenwahrscheinlichkeit wie ein "normaler", allerdings eine höhere Zweiterkrankungswahrscheinlichkeit. Die Behanldungen heutezutage seien natürlich sehr viel besser, schonender etc als Anfang der 90-er, als es meine Mutter und Cousine nicht geschafft haben. Zur PM sagte er, dass "noch besser als eine heutzutage bessere Behandlung" natürlich sei, BK erst gar nicht entstehen zu lassen. Sehr interessant für mich: Der Diep sei für den Organismus weniger beastend als z. B. ein Kaiserschnitt, da die Bauchhöhle ja nicht eröffnet werde. Erhohlungzeit: habe neulich eine Patientin nach Diep gehabt, die nach 4 Wochen nur noch sehr wenig eingeschränkt war. Zum Vergleich: nach einer Chemo brauche der Körper 1,5 bis 2 Jahren zur Erhohlung. Er hat mir also nicht direkt etwas geraten aber durchschimmern lassen, dass wenn man den Mut dazu hat eine PM durchaus zu empfehlen ist (aber da erzähle ich Euch nun ja nichts Neues). Auf der anderen Seite hat er mir Mut gemacht, dass wenn ich ohne PM erkranke, man "keineswegs verloren" ist heutzutage.

Dann: Gespräch mit einem Onkel, dem Bruder des positiv getesteten Bruders meiner Mutter (mein Index-Patient). Ein Traum, und ich hatte doch so einen Bammel davor. Er fand es absolut wichtig, mich zu informieren, werde seine 3 Töchter informieren und sich ggf. selber testen lassen. Anschließend hat mir mir systematisch analysiert, wer jetzt noch von wem informiert werden sollte, damit nicht die ganze Last bei mir liegt. Und wann und wo meine Verantwortung aufhört (ist gerade pensioniert, war u. a. kirchlicher Seelsorger). Danach fühlte ich mich wie neu geboren.

Noch etwas halbwegs Lustiges: Habe letztes WE in Sexshop auf der Reeperbahn Silikon-Nippel abgecheckt, ich dachte, die könnte man nach dem Diep vielleicht übergangsweise verwenden. Gab's auch tatsächlich, sahen aber sowas von schlecht und unecht aus - also keine Option.

Tja, nun bin ich quasi mit meiner Informationssammel-Phase am Ende und muss die Entscheidung zur OP treffen. Natürlich kommt es nach meinem tollen Ergebnis nicht auf denen einen oder anderen Monat an, aber wenn man nun schon aus "Sicherheitsgründen" eine PM anstrebt, sollten sicherlich nicht noch Jahre vergehehen; zudem bin ich mit meinen 34 Jahren ja nicht mehr gerade die Jüngste und habe noch keine Kinder, der Bauch muss sich schließlich erholen (Schwangerschaft sei lt. Arzt in Düsseldorf aber grundsätzlich kein Problem nach dem Diep). Im Moment bin ich sehr ruhig und führe meine bisherige Gesundheit auch auf meinen gesunden Lebenswandel zurück (ich esse z. B. seit über der Hälfte meines Lebens kein Fleisch mehr) aber ob ich für den Rest meines Lebens so cool bleiben kann? Schließlich lebe ich nun für die nächsten hoffentlich 50 Jahre in dem Wissen um den Gendefekt. Und wer weiß, ob solche Dinge wie Ernährung dabei überhaupt eine Rolle spielen.

So, denen, die sich bis ans Ende durchgewühlt haben, danke ich für die Aufmerksamkeit (ist aber einfach so viel passiert) und wüsche allen noch viele positiven Gedanken an diesem trüben Sonntag!

Viele Grüße
Störchin

Geändert von Stoerchin (24.07.2011 um 23:07 Uhr)
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