Einzelnen Beitrag anzeigen
  #2  
Alt 31.05.2004, 17:52
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard Heile Welt in meinem Kopf... bitte um hilfe

Hallo Du,

puuuh, Du stehst vor einem riesigen Berg voller Angst und Hilflosigkeit, richtig? Und so wie es zur Zeit für Dich aussieht, kannst Du diesen Berg auch nicht wegschieben, denn um einfach nur von besseren Zeiten zu träumen oder alles zu verdrängen, bist Du schon zu alt und Du fragst Dich, wie Dein Leben nach dem Tod Deiner Mutter weitergehen soll. Das verstehen bestimmt eine Menge Leute hier, die vielleicht nicht unbedingt das Gleiche mitmachen, aber von denen viele ähnliche Gefühle kennen.
Was ich Dir raten kann (weil ich selbst meine Mutter bis zu ihrem Tod begleitet habe) ist, daß Du so oft wie möglich bei Deiner Mutter bist. Nimm ihre Hand, sag ihr, daß Du sie liebst und für sie da bist. Es ist schwer, ich weiss, das Elend und die Schmerzen ertragen zu müssen und nichts daran wirklich ändern zu können. Ich versteh auch, daß Du keine Krankenhäuser mehr sehen kannst, denn dort dreht sich ja für Dich plötzlich alles nur noch um Krebs und um die Angst, daß Deine Mutter stirbt.
Daß die Leute um Euch herum nur noch von ihrer Krankheit reden, das ist teilweise sehr erdrückend, ja. Ich habe dann versucht, mich zurückzuziehen, also meine Mutter praktisch in der Obhut eines Bekannten oder Freundes gelassen, um mal rauszukommen. Spazieren gehen, Musik hören,irgendwie abschalten. Hm, hat nicht immer funktioniert, aber versuch es mal. Geh mit Deinem Freund essen, fahrt für ein paar Tage an die See...

Es ist gut und richtig, daß Du die Hoffnung nicht aufgibst. Ich weiss, dass sich irgendwann der gesunde Menschenverstand dagegen wehrt, auf Besserung zu hoffen, wenn alles dagegen spricht. Aber sie hilft Dir über die ganz schlimmen Zeiten hinweg und gibt Dir Kraft. Weisst Du, an dem Tag, an dem meine Mutter starb, da sass ich alleine an ihrem Bett im Krankenhaus und habe ihr erzählt, wie schön es werden wird, wenn wir zusammen nach Kanada fliegen und uns dort Wale anschauen. Sie hat es sich so gewünscht und viele Freunde sagten immer, sie solle doch mal "auf dem Teppich bleiben", schliesslich wäre sie krank...Ich habe mit ihr zusammen so oft über die Zukunft gesprochen, auch, wenn ich wusste, dass sie es selbst genau weiss, wie aussichtslos ihre eigene Zukunft sein sollte.
Gib nicht auf, sei Deiner Mutter eine hoffnungsvolle und starke Tochter, aber vergiss nicht, dass Du auch mal weinen darfst, mit ihr, mit Deinem Freund!

Ich kann Dir nur das raten, was mir damals geholfen hat. Hör ihr zu, sei bei ihr und versuche für die Zeit, in der Du bei ihr bist, die Schmerzen in Dir selbst zu vergessen. Ich weiss, das ist verdammt schwer, aber irgendwann wirst Du merken, wie wichtig diese Zeit nun ist. Tod und Sterben sind Dinge, die auch ich so gut es geht aus meinem Leben heraushalten möchte. Aber die Begleitung meine Mutter das war für mich sowas wie eine Aufgabe, bei der ich nicht überlegt habe, ob ich sie bewältigen kann oder nicht. Es geht. Glaub mir, auch Du mit Deinen 17 Jahren schaffst das, da bin ich mir sicher!

Ich wünsche Deiner Mutter und Dir alles Liebe und die Kraft, die Ihr braucht...
Lass die heile Welt in Deinem Kopf ruhig da, wo sie ist, das ist okay und Deine Mutter liebt Dich dafür, denn sie will bestimmt, daß Du nach vorne siehst und Dein Leben lebst.

Liebe Grüsse
Sandra
Mit Zitat antworten