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Alt 13.04.2012, 11:34
Bilskirnir Bilskirnir ist offline
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Standard AW: Jetzt hab ichs auch

Ich möchte einmal, angeregt von einem anderen User hier, mal meinen ganzen Verlauf bis heute (genau vor 11 Monaten hatte ich meine erste Chemo) hier reinschreiben, vielleicht ist das ganze dann etwas übersichtlicher.

Vor der Diagnose

Ich habe das ganze durch Zufall rausgefunden, die Stelle an den Hoden tat
weh sobald man rankam (ich habe mir es öfters mal eingeklemmt), das ganze
hatte ich schon ein paar mal zuvor gehabt, aber mir dabei nichts gedacht. So habe ich gleich einen Termin beim Urologen ausgemacht und mich noch ein wenig im Internet belesen, da lass man immer von einen "ziehen" und genau das Gefühl hatte ich auch ab und zu mal gehabt.

Die Diagnose

Am Tag als ich beim Urologen war, war ich glaub der jüngste, man kam sich richtig komisch da vor und hatte das Gefühl das man hier nicht hingehört. Nach einen kurzen abtasten und einer Ultraschalluntersuchung war für den Urologen klar, das Ei muss raus.

Die OP

Ich hatte, wie viele hier, auch Angst vor der OP, welcher Mann lässt sich schon gern unten am empfindlichsten Gebilde, was Gott je geschaffen hat herumschnibbeln.

Ich glaub mal so eine OP wird während den Kaffeetrinken gemacht, ist bestimmt nix schlimmes, der Hoden wird samt Samenstrang entfernt und von den anderen Hoden wird eine kleine Probe entnommen.

Klingt alles halb so schlimm wie es ist

Aber ich muss sagen, das ganze ist alles halb so schlimm, schon ein bis zwei Tage nach der OP kann man schon wieder laufen und man hat auch keine größeren Schmerzen, die Narbe ist auch gut verheilt.

Eine kleine Anmerkung:

Ich habe dann noch mal meinen Hoden abgetastet und da war obwohl ein Hoden entfernt wurde noch eine kleine Kugel bzw. eine Wurst da, das hatten bis jetzt auch einige hier geschrieben gehabt, ihr braucht da keine Angst haben, das ist meist blos eine Blutansammlung.

Die Tage nach der OP

Nach 5 Tagen konnte ich wieder unbeschwert meine Dinge machen, die ich vorher auch gemacht habe, ich hatte keine Einschränkungen.

Die Stelle an dem der Hoden war, tat allerdings noch ein bisschen weh, das sind allerdings Phantomschmerzen und sind spätestens nach 3-4 Wochen wieder weg, nur bei Wetterumschwüngen merkt man das ganze ab und zu noch mal.

Die Wartezeit auf das Ergebnis war allerdings das schlimmste, ganze 10 Tage musste ich auf mein Ergebnis warten, dann erfuhr ich das ich ein "Nicht-Seminom" hatte.

Ich wurde dann gleich zu einem CT geschickt, wo sich glücklicherweise keine Metastasen oder verdickte Lymphknoten zeigten.

Mir wurde dann vom Arzt nahe gelegt eine Chemotherapie zu machen.

Die Chemo

Naja was soll man dazu schon sagen, sie ist wohl die unschönste Therapieform die es gibt, aber sie hilft und das ist wohl das wichtigste.

Ich denke mal die Angst davor kommt vor der Unwissenheit was, da mit einen passiert, aber heute gibt es ziemlich gutes Hilfsmittel die die Nebenwirkungen hemmen und es erträglich machen.

Und jeder verträgt sie unterschiedlich, es ist schon wichtig wie man an die ganze Sache herangeht, wenn man von Anfang an schon an die ganzen Nebenwirkungen denkt dann macht man alles nur schlimmer denk ich mal.

Bei der ersten Chemo, bekam ich erst nach 3 Tagen die ersten Symptome mit, so wurde mir schlecht (Saft gegen Übelkeit genommen) ich hatte Kopfschmerzen (Kopfschmerztablette), mehr war da eigentlich garnicht. Ich bekam alles also relativ gut in den Griff, das einzige was mich ziemlich geärgert hatte, war eine Mundschleimhautentzündung da hätte ich eigentlich vorsorgen müssen und mir so eine Mundspüllösung (welche ich im zweiten Zyklus bekam ) nehmen müssen.

Blutwerte wurden ja immer genommen, die Tumormarker waren wieder im normalen Bereich, das einzigste was sich immer änderte war das Hämoglobin, sowie die verschiedenen Blutkörperchen.

Die Blutkörperchen bekam man aber durch Heparin meist wieder hoch.

Dann konnte der zweite Zyklus beginnen, da wurden die Symptome schon etwas stärker ich musste öfters mal unfreiwillig auf die Toilette, zum Schluss konnte ich keine Infusion mehr sehen, ich bin aber froh das ich die Zähne zusammengebissen habe und weitergemacht habe (was bleibt einen da auch übrig).

Ganz wichtig ist vielleicht auch folgendes:

Man darf sich während der Chemo auch wenn einen schlecht ist hängen lassen, das ist ich glaub der größte Fehler den man da macht, man muss einfach so weiter machen wie vorher oder das machen was man gern macht, ich bin z.B. jeden Morgen und jeden Abend draußen spazieren gegangen (im KH Park) hatte meine Gitarre aufm Zimmer und schrieb Tagebuch.

Ende der Chemo

Jetzt kam allerdings der unschöne Teil, meine Blutwerte sanken in der zweiten Woche im zweiten Zyklus auf ein ganz niedriges Niveau, Heparin schlug überhaupt nicht mehr an, ich hatte wieder eine Mundschleimhautentzündung die den Kehlkopf angriff, so das ich nicht mehr reden konnte, feste Nahrung konnte ich auch nicht mehr zu mir nehmen, ich bekam laufend Fieber (was man durch ein Medikament wieder absenkte aber es ging dann gleich wieder los), ich konnte nur noch Trinknahrung zu mir nehmen und dann bekam ich eine Bluttransfusion und es ging mir wieder gut aber ich muss sagen die Tage waren echt hart, aber auch da darf man sich nicht unterkriegen lassen.

Nach der Bluttransfusion verlor ich aber fast wieder ein viertel da ich Nasenbluten hatte das nicht mehr aufhörte, zu guter letzt bekam ich dann noch eine Lungenentzündung, aber danach besserte sich mein Zustand erheblich und das merkte man auch

Es ist eine verdammt schwere Zeit das alles zu überstehen, aber es ist machbar, macht euch einfach nicht zu viele Gedanken ich glaube mal dadurch macht man sich erst verrückt.

Die Tage nach der Chemo

Das war schön, endlich wieder nach 4 langen Wochen zu Hause zu sein, ich kam mir allerdings wie ein Opa vor, meine ganze Kondition war weg und auch so merkte man das die Chemo ihre Spuren hinterlassen hatte.

Die Reha

Ich bin unendlich froh über diese Reha, sie hat einen wirklich richtig zurück ins Leben gebracht und ich denke gern an diese Zeit zurück habe da viele nette Leute kennengelernt und es hat mir zu meiner Genesung sehr gut geholfen.

Nach der Reha - Rückkehr in den Alltag

So langsam kämpfte ich mich in mein altes Leben wieder zurück, gleich am ersten Tag nach der Reha ging ich wieder zu einem Fussballspiel wo mein Verein 4:0 gewann .

Ich ging meinen Hobbys wieder nach und lebte wie zuvor nur etwas gesünder ;-)

Alle 3 Monate muss ich jetzt zum Arzt gehen, was ich auch auf jeden Fall machen werde, um Arbeit habe ich mich auch schon gekümmert, so bekomme ich höchstwahrscheinlich eine Umschulung.

Heute genau 11 Monate nach der ersten Chemo kann ich sagen, es ist eine schwere Zeit die ich durchgemacht habe, aber sie ist auf jeden Fall machbar, man darf bloß nicht aufgeben.

Ich klinge jetzt zwar wie so ein alter Opi wenn ihr das lest aber ich war zu dieser Zeit erst 22 Jahre alt.
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Stand Up and Look Into The Light,
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Geändert von Bilskirnir (13.04.2012 um 11:41 Uhr)
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