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Alt 08.07.2012, 09:47
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Mirilena Mirilena ist offline
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Registriert seit: 11.05.2011
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Standard AW: Wir werden uns wiedersehen...

Lieber Paps,

ich habe dir lange nicht geschrieben, doch jetzt ist mir gerade danach...

Komisch, heute ist schon mein letzter Urlaubstag und ich fühle mich so gar nicht erholt... Die Zeit ist mir einfach davongelaufen. Gestern war ich mit Ma und einer Freundin an der Ostsee. Wir sind lange spazieren gegangen und haben uns hin und wieder mal irgendwo hingesetzt und etwas getrunken, waren dann noch bummeln in Eckernförde. Herrlich! Das war total schön und ich war so stolz auf Mama, dass sie die ganze Strecke mit gelaufen ist. Sie hatte ja nach ihrer Kurzreise extremst geschwollene Beine und war beim Arzt. Kurz vor der Entzündung. Nun hat sie neue Tabletten zur Entwässerung und wurde einmal auf den Kopf gestellt. Sie hat wohl Diabetes und nun muss sie die Ernährung umstellen. Ich werde sie unterstützen, wo ich nur kann und dann nehmen wir gemeinsam ab. Wenn sie jetzt auf Zucker verzichtet und die Ernährung umstellt, verliert sie (hoffentlich) auch an Gewicht und das wiederum würde sich sicherlich auch günstig auf die Zuckerwerte auswirken. Ich mache mir ja schon Sorgen... Aber seitdem Mama in Urlaub war, geht es ihr einfach psychisch besser. Sie lacht wieder und wirkt ein wenig wie befreit. Ihre Lebenslust scheint langsam wieder aufzuerstehen und das macht mich wirklich froh!

Papa, was sagst du zu T. Eröffnung? Ist das nicht der Hammer? Da sitzt er vor mir wie ein kleiner treudoofer Dackel und erzählt mir, er habe jemanden kennengelernt und sich totaaaaal verknallt. Ich konnte erst einmal gar nichts sagen... Ich war wie versteinert und mir war eiskalt. Viel habe ich dann ja auch nicht gesagt, während er mich so bedröppelt anschaute, als erwarte er von mir, dass ich ihm jetzt meine Absolution erteile. Ich hätte beinahe lauthals losgelacht, weil ich es so armselig fand, wie er da vor mir saß. Ich konnte weder toben noch schreien. Ich saß einfach da, starrte aus dem Fenster und fragte, ob er denn jetzt ausziehe. Ja, hier könne er ja nicht bleiben und er habe sich das ja auch nicht ausgesucht. Nein, ich auch nicht. Das war dann das Ende dieser Beziehung und das bescheidene Ende meines Urlaubs. Mama hat mich schon aufgefangen und viele andere liebe Menschen auch. Ich bin nicht einmal so erschüttert und elend, wie ich es in dem Fall vermutet hätte. Ich habe einfach keine Kraft dazu. Und ich mag auch nicht mehr. Allerdings ist dieses Thema für mich nun endgültig erledigt. Ich habe mir auch verordnet, mich nun nicht mit Selbstzweifeln zu plagen und mir ständig die Fragen nach dem WARUM zu stellen. Es ist, wie es ist und ich kann es nicht ändern. Ich lasse ihn gehen, denn wie ihr immer so schön sagtet: Reisende soll man nicht aufhalten. Nun hoffe ich inständig, dass er ganz schnell seine Sachen packt und ein für allemal aus meinem Leben verschwindet, denn seinen Anblick kann ich nicht mehr ertragen.

Ich werde mich jetzt gleich auf die Hausarbeit stürzen und alles aufräumen, damit ich in der Woche meine Ruhe habe. Noch ist der Himmel strahlend blau, aber da wir ja gestern einen so schönen Tag verbracht haben, ist das auch okay... Übrigens habe ich schon zweimal den Rasen gemäht mit dem neuen Mäher. Erst habe ich das Gerät fast nicht anbekommen, aber langsam werde ich eine richtig gute Rasenmäherin. Und ich habe alle Beete vom Unkraut befreit;-) Wir waren total enttäuscht, als wir feststellen mussten, dass die Vögel sämtliche roten Johannisbeeren aufgefressen haben und der Pflaumenbaum scheint auch krank zu sein. Keine einzige Pflaume und das, was da war, ist komplett verschimmelt. Ansonsten haben Mama und ich den Garten ganz gut im Griff. Ich werde noch mit ihr losfahren und dann suchen wir ein paar schöne Stauden aus und pflanzen die ein. Und ich würde auch gern noch einen Kirschbaum einpflanzen. Mama meint, das müsste ich kommendes Frühjahr tun.

Ach, mein lieber Paps! Du fehlst! Und dennoch bin ich so, so froh, dass Mama ihr Lächeln wiedergefunden hat. Im September sind wir ja jetzt zum Trauerseminar angemeldet. Das hat Mama organisiert und sie hätte sich auch ohne mich angemeldet. Du siehst, sie wird langsam wieder die "Alte";-) Aber ich denke, auch mir wird das gut tun. Die Dame vom Hospiz hatte uns beim Gedenkgottesdienst auf der Palliativstation ja angesprochen. Sie hatte mir auch gesagt, sie könne sich gut vorstellen, dass ich ehrenamtlich für's Hospiz arbeite. Meinst du, ich könnte das? Wahrscheinlich ist es noch viel zu früh, weil ich innerlich noch zu sehr mit meiner eigenen Trauer um dich zu tun habe. Aber wer weiß, vielleicht bin ich eines Tages so weit, dass ich dann für andere Menschen da sein kann, ohne sie mit meinen Sorgen zu belasten.

Auf dem Herbert Grönemeyer Konzert musste ich still in mich hineinweinen, als er das Lied "Der Weg" gesungen hat. Da sah ich dich vor mir und das tat weh. Aber ich halte es ebenso und trage dich bei mir, bis der Vorhang fällt! Und meistens macht mich das nicht traurig sondern stolz und erfüllt mich voller Liebe!

Mach's gut, mein geliebter Paps
Miri
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Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

Hand in Hand - gemeinsam sind wir stark!
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