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Alt 19.09.2012, 13:52
El_Desparecido El_Desparecido ist offline
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Standard AW: Lungenkrebs - es sieht ganz und gar nicht gut aus.

Hallo ihr Lieben,

mein Vater liegt unverändert im Krankenhaus. Nunmehr seit fünf Wochen.
Noch immer erhält mein Vater täglich intravenös Antibiotika, die immerhin das Fieber verscheucht haben und die Entzündungswerte haben sich ebenfalls gebessert.
Der Urologe murmelte gestern etwas davon, dass er davon ausgehe, den Hoden erhalten zu können. Von etwas anderem war bisher auch noch nie die Rede. Mein Vater hat ihn mit großen Augen angeguckt und dann mit den Schultern gezuckt.
Die Haare fallen aus.
Aber er erträgt es tapfer.

Hin und wieder ist er etwas ungehalten über die seiner Meinung nach unzureichende Betreuung durch die Krankenpfleger und Schwestern, aber nun gut. Ist halt auch nicht ganz einfach 24 Patienten zu zweit zu betreuen, denke ich.
Leider bekommt auch meine Mutter manchmal ihr Fett weg, wenn er ihr vorwirft, sie würde nicht genug für ihn machen. Dabei ist sie jeden Tag acht Stunden bei ihm im Krankenhaus und tut alles was sie kann - vielleicht sogar mehr.
Meistens ist er aber ganz friedlich.

Seit er im Krankenhaus ist, hat er bereits drei seiner Zimmergenossen überlebt. Das muss schon strange sein, auch wenn er sagt, das mache ihm nichts aus...

Nächste Woche beginnt die nächste Runde Chemo. Mal gucken, wie er sich schlägt. Und in der nächsten Chemopause soll nach einer gewissen Erholungszeit die Blase ausgeschabt werden. Aber so lange will ich eigentlich gar nicht in die Zukunft schauen.

Ich lebe mein Leben im Autopilotmodus.
Habe den Eindruck immer emotionsloser und unbeteiligter zu werden.
Ich entwickele mich zum Hypochonder.
Auch wenn mein Körper an sich ziemlich gut durchgecheckt ist, rasselt das Schreckgespenst vernehmbar mit den Ketten, ob ich nicht der Nächste sein könnte. Ob die Rückenschmerzen vielleicht doch nicht von der Sitzhaltung herrühren, ob das Druckgefühl im Kopf vielleicht doch nicht durch die Nackenmuskulatur verursacht wird, ob der diagnostizierte Bauchdeckenbruch vielleicht nicht doch etwas ganz anderes, total Böses sein könnte.
Ob ich vielleicht doch kein Hypochonder bin, sondern bereits dem Verderben geweiht.

Schon strange, wenn einem bewusst wird wie aussergewöhnlich das Leben eigentlich gewesen war, was vor fünf Wochen noch als absolut normal erachtet wurde.

Geändert von El_Desparecido (19.09.2012 um 14:16 Uhr)
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