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Alt 18.06.2004, 18:16
Eva-KK Eva-KK ist offline
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Standard Presseartikel zum NHL

CD20-Antikörper lindert Rheumatoide Arthritis – Aber Risiko schwerer Infektionen

Aus Deutsches Ärzteblatt vom 17. Juni 2004-06-18
Nachzulesen unter http://www.aerzteblatt.de/v4/news/ne...id=16647LONDON.

Eine Behandlung mit dem gentechnisch produzierten Antikörper Rituximab, der bisher zur Behandlung von Lymphomen eingesetzt wird, lindert bei Patienten mit schwerer Rheumatoider Arthritis (RA) über mehrere Monate lang die Beschwerden. Die Ergebnisse einer kontrollierten Studie im New England Journal of Medicine (NEJM 2004; 350: 2572-2581) weisen nicht nur auf eine neue Behandlungsmöglichkeit hin. Sie dürften auch die pathophysiologischen Vorstellungen von der RA verändern.

Rituximab ist ein gentechnisch produzierter chimärer Antikörper, der an reifen B-Zellen bindet, wenn sie das Oberflächenmerkmal CD20 tragen. Auf nicht restlos geklärte Art und Weise wird dadurch die Zerstörung dieser Zellen im Körper veranlasst. Das Mittel ist in Deutschland seit 1998 auf dem Markt. Zugelassen ist es derzeit nur bei Lymphomen, die von B-Zellen ausgehen. Dies sind vor allem Non-Hodgkin-Lymphome. Doch B-Zellen spielen auch bei Autoimmunerkrankungen eine wichtige Rolle. Sie sind beispielsweise in der Synovia der erkrankten Gelenke vorhanden, wo sie die Aktivität anderer Zellen steuern. Die pathophysiologischen Vorgänge sind sehr komplex und nicht restlos geklärt. Wie häufig in der Medizin wird das Verständnis über die Entstehung einer Krankheit durch die zunächst überraschend gute Wirkung eines neuen Medikamentes gefördert.

Die Gruppe um Jonathan Edwards vom University College in London konnte schon vor einigen Jahren in einer kleinen Studie zeigen, dass die Behandlung mit Rituximab (in Kombination mit Cyclophosphamid und Kortikosteroiden) zu einer lang andauernden Besserung des Krankheitsbildes führt. Eine randomisierte Doppelblindstudie an 161 Patienten bestätigt nun diese Erfahrung. Die Studie wurde an Patienten mit schwerer RA durchgeführt, bei denen es auch unter der Behandlung mit Methotrexat nicht zu einer deutlichen Besserung gekommen war.

Die Studie hatte vier Behandlungsarme. Eine Weiterbehandlung mit Methotrexat (zehn mg pro Woche) als Kontrollgruppe; eine Monotherapie mit Rituximab (1000 mg an den Tagen eins und 15); die Kombination von Rituximab mit Cyclophosphamid (750 mg an den Tagen drei und 17); sowie eine Kombination von Rituximab plus Methotrexat. Primärer Endpunkt war der Anteil der Patienten, bei denen eine Besserung nach den Kriterien des American College of Rheumatology um mindestens 50 Prozent auftrat (ACR 50).

Die Ergebnisse sind beeindruckend: Unter der Kombination von Rituximab plus Methotrexat erreichten 43 Prozent der Patienten in der Woche 24 den Endpunkt ACR 50, während es unter der Monotherapie mit Methotrexat nur 13 Prozent waren. Von den Patienten, die nur mit Rituximab behandelt wurden erreichten 33 Prozent den Endpunkt ACR 50, unter der Kombination aus Rituximab und Cyclophosphamid waren es 41 Prozent. Eine Linderung der Beschwerden um 20 Prozent (ACR 20) erreichten sogar 73 Prozent unter Rituximab plus Methotrexat versus 38 Prozent unter der Methotrexat-Monotherapie.

Beeindruckend ist vor allem, dass Rituximab nur zu zwei Zeitpunkten zu Beginn der Studie gegeben wurde, die Wirkung aber noch nach 48 Wochen, wenn auch abgeschwächt nachweisbar war. Nach Angaben in der Pressemitteilung sollen einige Patienten mehr als ein Jahr lang eine deutliche Linderung ihrer Beschwerden erfahren haben.

Dies spricht dafür, dass die Elimination der CD40-positiven B-Zellen einen nachhaltigen Einfluss auf den Verlauf der Erkrankung hat. Die Wirkung lässt erst allmählich wieder nach, vermutlich weil mit der Zeit aus den Vorläuferzellen (Prä-B-Lymphozyten), die CD40 noch nicht exprimieren, neue B-Lymphozyten nachreifen. Edwards verglich die Wirkung mit dem Neustart eines infolge eines Virenbefalls eingefrorenen Computers. Der Vergleich hinkt, denn nach dem „Neustart“ ist das Immunsystem keineswegs von der Ursache der Rheumatoiden Arthritis geheilt.

Auch in einem anderen Punkt greift der Vergleich mit dem Computer zu kurz: Die Therapie mit Rituximab hat zum Teil schwerwiegende Nebenwirkungen. Gefürchtet werden vor allem lebensgefährliche Infektionen, da die Elimination der B-Zellen die Immunabwehr gegen Krankheitserreger abschwächen könnte. Schwere Infektionen traten in den ersten 24 Wochen bei insgesamt fünf Patienten auf: Bei einem Patienten in der Kontrollgruppe (2,5 Prozent) und bei vier Patienten in den anderen drei Studienarmen, in denen die Patienten Rituximab erhalten hatten (3,3 Prozent). Zwei der mit Rituximab behandelten Patienten entwickelten eine septische Arthritis, ein weiterer eine Pseudomonas-Pneumonie. Der vierte Patient starb nach einer schweren Bronchopneumonie. In den zweiten 24 Wochen kamen schwere Infektionen bei zwei weiteren Patienten hinzu: schwere Gastroenteritis und eine Pyelonephritis.

Die Autoren können darauf verweisen, dass die Rate von Infektionen insgesamt niedriger war als in den Studien zum Non-Hodgkin-Lymphom. Anders als das Lymphom ist die RA jedoch keine lebensbedrohliche Erkrankung, so dass der Sicherheitsaspekt für die Einstufung der Therapie von entscheidender Bedeutung sein dürfte, zumal es so aussieht, als würden die meisten Patienten nach einer gewissen Zeit eine erneute Therapie mit Rituximab benötigen.

Ganz sicher wird die Studie die pathophysiologischen Vorstellungen über RA verändern. George Tsokos vom Walter Reed Army Institute of Research, in Silver Springs im US-Staat Maryland entwirft in einem Perspektive-Artikel ein Modell, nach welchem B-Zellen in die entzündete Synovia migrieren, wo sie die Entzündungsreaktion verstärken (NEJM 2004; 350: 2546-2548). Sie präsentieren Autoantigene an T-Zellen, bilden Zytokine und Autoantikörper, welche die Entzündungsreaktion weiter anheizen. Die Behandlung mit Rituximab könnte diesen Teufelskreis durchbrechen – wenigstens vorübergehend./rme
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