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Alt 26.10.2012, 09:31
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Petra_S Petra_S ist offline
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Standard AW: Woher Hilfe? An wen wenden?

Liebe Angie und alle anderen,

erst einmal viiiiielen Dank, dass du so ruhig geblieben bist und nicht auf mich losgegangen bist! Mir war bewusst, dass ich ein heisses Eisen anfasse. Allerdings ist jetzt ist genau das passiert, was passiert, wenn man in der „man“ Form versucht zu schreiben… es verallgemeinert sich. Dadurch, dass ich nicht direkt den Vater ins „Visier“ nehmen wollte, habe ich eine allgemeine Aussage getroffen, die eben doch ggf. nicht in der Konsequenz bei jungen Leuten so ohne weiteres anwendbar ist. Gerade wenn hilfsbedürftige andere Menschen zu Schaden kommen, dann ist das sicher mit Vorsicht zu behandeln. Kinder, die abhängig sind von ihren Eltern, die dann auch seelischen Schaden nehmen…

Trotzdem sehe ich das Problem etwas anders. Ich habe mit der „professionellen Hilfe“ nur bedingt gute Erfahrungen machen können. Erst einmal ist es fast immer (wohl gemerkt das sind nur MEINE Erfahrungswerte!) so, dass man kaum das Problem unter Tränen beschrieben hat, wird sofort das Rezept ausgeschrieben. Ich habe das Gefühl…“nur schnell WAS MACHEN, dass sie aufhört zu heulen…“ – selbst in der ambulanten Psychotherapie wird oft drauf hingewiesen, dass man dies ohne Antidepressiva „NICHT SCHAFFEN KANN!“ – oh Gott was für eine Bankroterklärung der Gesellschaft…. Meine Mutter als Vierjährige, auf der Flucht an der Hand ihrer Mutter, im Handwagen die sterbende Oma, wurde an Leichen vorbei geführt … Den Geruch - dement wie sie ist - hat sie heute noch in der Nase…, nichts hat man sich von ihr erzählen lassen – nichts hat man ihr erklärt - damals nicht und heute auch nicht. Psychopharmaka und die Alpträume über Monate wurden ins unerträgliche gesteigert… Dosis erhöht, Pille gewechselt…was soll man sonst machen? „Dann geben sie sie doch ins Heim!“ das war der letzte Tipp der Psychologin, bevor ich wütend die Tür zu schmiss… Bei mir lief es nicht sooo viel anders, über das Erlebte wurde kaum gesprochen, es hieß „Immer nur nach vorn sehen, mit "positiven Dingen" ablenken(zudecken?), mit Pillen dämpfen, das Leben ist trotzdem lebenswert – das wird schon wieder!“ Auf Biegen und Brechen – das Leben IST schön! (Hat schön zu sein verdammt!) Mit den Pillen habe ich wieder funktioniert, mich teilweise nicht mehr gefühlt, es hat den Start in den Alltag wieder möglich gemacht, aber ich war ein braver Soldat. Ich bin Morgens aufgestanden „Startknopf“ an und los…machen was die Gesellschaft erwartet. „Oh, DUUU siehst aber guuuut aus! Schön, dass es dir wieder besser geht!“ (Neiiiin, es geht mir nicht besser – ich tu nur so, zeige euch das Bild was euch beruhigt, funktioniere wieder!) Nicht viele wollten/ wollen wissen wie es wirklich aussieht. „Das können sie niiie ohne Pillen schaffen!“ – doch ich kann… ich habe noch in der Klinik aufgehört sie zu nehmen. Ich stehe nicht mehr neben mir und wundere mich wer da warum lacht…, ich funktioniere nur noch bedingt wie man es gern hätte… ich bemühe mich mit allen psychologischen Tricks das Leben schön zu finden. Jooo, es geht, es gibt ganz schöne Momente, aber im Verhältnis zu dem täglichen Kampf… und dem Vermissen meines geliebten Weggefährten und UNSERER Zukunft....
…und wenn ich dann lese „ich gebe ihm Aufgaben, die die Trauer in den Hintergrund treten lassen“ … „Mamas Klamotten aussortieren“ … tut mir leid, da könnte ich den Schreikrampf kriegen… Beschäftigungen, die die Trauer in den Hintergrund treten lassen… wie lange muss man darüber nachdenken um diese Beschäftigung als gute Therapie zu empfinden?
Zitat:
Klamotten von Mama aussortieren, etc das hält ihn auf Trap und lässt ihn die Trauer in den Hintergrund rücken.
Wenn das schon „gut“ für den Trauernden sein soll, wie gut kann dann eine aufgezwungene Therapie, usw. sein? Ja, es gibt Leute, die bringen sich um… und sicher muss man sich in gewisser Weise kümmern. Doch da kommen wir zur nächsten “heissen Sache“. WAS IST KÜMMERN? Und die Frage ist, kümmert man sich wirklich weil man glaubt, dass das Leben noch lebenswert sein kann? Oder geht es darum, dass man selbst es nicht ertragen würde hilflos zusehen zu müssen und damit weiterleben zu müssen? Aber beruhigt es schon das Gewissen, wenn man “Fachleute“ ruft? Geht es um das eigene Gewissen? Glaubst du wirklich der Mann, der nur noch „dahinvegetiert“, sich gehen lässt, ist tatsächlich noch nicht auf die Idee gekommen, wo er lieber wäre??? Du meinst wirklich, die Frage dürfte man lieber nicht stellen um ihn nicht auf „dumme Ideen“ zu bringen? (werden unsere Kinder nicht süchtig nach irgendwas, schwanger… wenn wir nicht mit ihnen drüber sprechen?) Oder ist das Gespräch für den Frager unangenehm? Ich habe die Erfahrung gemacht, dass über Selbstmord reden oder nur erst mal über den legitimen Wunsch nicht mehr leben zu müssen, dem Problem schon mal den Druck nimmt. Es NICHT aussprechen zu dürfen, aus Angst, dass man dem Angehörigen damit Probleme bereitet und dass man gleich „in die Psychatrie gesteckt und mit Tabletten unfähig zum denken und fühlen“ gemacht wird, diese Angst und die Einsamkeit in diesem Schweigen verstärkt den Druck viel mehr, als das Reden darüber. Jedoch ist es für den Gesprächspartner viel „gefährlicher“, denn er übernimmt Verantwortung, weil er „es ja gewusst hat“ – WENN dann doch was passiert! Wenn wir uns einreden den Menschen nicht durch solche Gespräche „auf die Idee“ gebracht zu haben, dann haben wir auch keine Schuld. Ich bin der Meinung diese Gespräche während eines Spazierganges, sind wesentlich erleichternder für beide Seiten. Nur Spaziergänge mit den erwachsenen Kindern, Besuche oder Rasen mähen beim Nachbarn sind nette Begebenheiten, aber ein „Papagei „ der allein ist, der das Liebste und Wichtigste – das was sein Leben ausgemacht hat, die BEZIEHUNG verloren hat – das ist ein mühsamer Versuch… Es geht nicht um Beschäftigung, es geht um BEZIEHUNG, die alle Lebensbereiche infiltriert, die DAS LEBEN in der Form überhaupt ausmacht. Da sind Haushalt, Pflichten und was man sonst so treibt am Tag doch nur Nebensache. So traurig das für die Angehörigen ist, was sind 60 „schön gemachte“ Minuten am Tag gegen die lange Zeit der Unsinnigkeit. Kennt ihr die Geschichte von dem Bauern und den Glücksbohnen? (wer sich so lange mit dem Thema wirklich beschäftigen möchte kann es googeln) Das versuche ich zur Zeit, sicher - es klappt um über den Tag, die Woche, vielleicht mein restliches Leben zu kommen. Und doch, was glaubt ihr wie viele Bohnen ein Trauernder tauschen müsste/ wollte wenn er dafür sein Leben wieder bekommen würde…??? Es gibt wahrscheinlich nicht DIE Lösung, AUCH MEINE GEDANKENGÄNGE ERHEBEN NICHT DEN ANSPRUCH AUF DIE ABSOLUTE WAHRHEIT; DENNOCH halte es für falsch, die Verantwortung immer auf „Fachleute“ und „Pillen“ zu verschieben… EHRLICHKEIT - auch unangenehme Dingen aussprechen, sich überwinden und sich auch anhören was einem selbst Angst macht, es stehen lassen können ohne in hektische Aktivität zu verfallen = BEZIEHUNG und Zeit füreinander, das ist für mich das was am ehesten heilt… doch eine GARANTIE ist das auch nicht! Aber was glaubst du wie viele den Text bis hier her gelesen haben? So wichtig war das Thema dann vielleicht doch nicht…
[QUOTE]Ich denke der Mann braucht dringenst Hilfe[/QUOTE …ja, das glaube ich auch.

...auch mal hilflose Grüße
Petra
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