Thema: hilflos!!!!
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Alt 03.07.2002, 19:02
Gast
 
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Standard Was tun gegen Hilflosigkeit! (kein Fragezeichen!)

Liebe Silke!
Als mein Frau vor nun fast schon zwei Jahren die Diagnose "Lungenkrebs, unheilbar, nichts zu machen" vor den Kopf geschlagen bekam, da waren sie und ich ebenso "sprachlos" wie Deine Eltern.
Wenn wir Freunde oder Bekannte trafen, die noch nichts davon wussten, dann brachen wir beide in Tränen aus, wenn sie uns bloss begrüssten mit diesem so grausamen "Na, wie geht's?"
Erst haben wir uns dann auch zuhause verkrochen, um nur ja niemanden zu sehen, zu treffen oder gar sprechen zu müssen. Heute, im Rückblick, finde ich, dass das auch ganz natürlich und normal war.
Das mit dem miteinander sprechen ist aber so eine Sache. Wenn der Betroffene es nicht will, dann finde ich, wir sollten ihn nicht bedrängen oder gar bevormunden so etwa mit diesen guten Ratschlägen "wenn Du darüber sprichst, dann geht es Dir besser" usw. Ich bekomme sogar heute, wo ich finde, dass wir es wirklich gut gepackt haben, trotzdem noch manchmal von meiner Frau gesagt: "ich habe hier den Krebs; nicht Du!" (und sie hat recht damit, mich manchmal auch sehr rüde zurechtzuweisen; ich witzel dann immer: "wenn sie frech ist, dann geht es ihr gut").
Wie haben wir damals in der ganz kritischen Zeit miteinander gesprochen?
Vor allen Dingen: ja, überhaupt! Jede Möglichkeit wahrnehmen, in der Dein Vater oder Deine Mutter über etwas reden will, besonders über anderes als den Krebs, auch wenn sie damit erstmal nur versuchen es zu verdrängen: reden, reden, reden. Supergut zuhören! Denn sie verstecken in Ihren Gesprächsthemen das, was sie wirklich sagen wollen. Urlaub planen heisst dann vielleicht "ich habe Angst keinen weiteren Urlaub zu erleben", davon sprechen, wie Du ein Baby warst heisst vielleicht "ich hätte so gerne noch Enkel erlebt" usw.
So signalisieren und verschlüsseln sie, was sie sagen wollen und zugegeben, es ist unheimlich schwierig, das immer ganz richtig zu entschlüsseln. Aber versuch' es einmal! Sprich mit ihnen über IHRE Themen, bleibe an IHREM Thema, weiche nicht in Richtung der Krankheit aus! Ich habe es ebenso gemacht und irgendwann, als sich daraus erst so eine richtig vertrauliche, "kuschelige" Gesprächsatmosphäre entwickelt hatte, da brach "endlich" das eigentliche Thema ihr heraus aus und wir haben in dieser Nacht wirklich DEN grossen Schritt nach vorn gemacht.
Was soll ich sonst noch sagen? (schau mal in meinen Bericht oben aus dem April 2001). Meine Frau hat nach einigen Komplikationen und auch schlimmen Rückschlägen auf die letzten beiden Chemoserien "sensationell" angesprochen (sagen die Ärzte). Seit drei Wochen ist jetzt Pause; die Erholung ist aber auch wirklich nötig! In zwei Wochen kommt die Kontrolluntersuchung und die schlimme Angst vor dem Ergebnis; das haben wir jetzt schon mehr als zehnmal durchlitten. ABER: vor zwei Wochen haben wir ihren zweiten Geburtstag nach der Diagnose gefeiert, obwohl wir doch vorher nur gedacht hatten, das wäre nun das Ende.
Ihr gesundheitlicher Stand ist seit der ersten Diagnose weitgehend unverändert; die Metastasen waren zuletzt sogar weniger als vor zwei Jahren und sie hat keine direkt durch den Krebs verursachten Bewerden; wir "walken" immer noch unsere 7-km-Runde im Wald in weniger als 60 Minuten, fahren stundenlang Fahrrad, spielen immer noch Tennis mit "links-rechts-links-rechts-hin-und-herhetzen" usw. Es sind aber die Nebenwirkungen der Chemo, die ihr trotzdem zu schaffen machen.
Wir beklagen uns nicht, sondern leben das Leben so gut es eben geht. Es gibt nämlich eine Überlebensquote bei Lungenkrebs und wir versprechen uns immer wieder gegenseitig, "dass wir zu den Gewinnern gehören werden, 100- prozentig!"; das hilft.
Alles Gute und Liebe für Dich, deinen Vater und Deine Mutter!

Peter
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