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Alt 03.02.2013, 08:32
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Mirilena Mirilena ist offline
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Standard AW: Vater du fehlst mir!

Liebe Lina,

es tut mir so leid, dass auch du deinen Papa verabschieden musstest. Auch mein Vater hatte Lungenkrebs und ich kann mir daher gut vorstellen, was du durchgemacht hast, welchen Hoffnungen du hattest und welche Ängste... Auch diese Bilder, die immer wieder auftauchen, der womöglich rasselnde Atem deines Papas. Das tut so weh.

Als wohl älteste Schwester hast du viel Verantwortung übernommen, oder? Und deine Mama gestützt und deinen Papa begleitet. Ich hoffe, dass dir das irgendwann ein Trost sein kann, dass du da gewesen bist und alles getan hast, was möglich war.

Mach dir bitte keine Vorwürfe wegen deiner jüngeren Schwester. Du hast nichts Falsches gesagt. Es entsprach ja leider den Tatsachen, dass dein Vater im Sterben lag und ich denke, dass deine Schwester es dir keinesfalls übel nimmt, dass du ihr die Wahrheit gesagt hast.

Ich kann mich gut erinnern, welche Lawine auf uns zurollte, nachdem meine Vater gestorben war. So vieles musste erledigt werden, ich habe Anträge für meine Mutter gestellt und lauter Behördengänge hinter mich gebracht. Jeden Tag flatterte uns irgendetwas Neues in den Briefkasten und wir waren einfach nur müde. Müde vom Leben und wir wollten unsere Ruhe. Ähnlich wirst du es wohl auch empfunden haben. In der ersten Zeit kommt man nicht einmal richtig zu sich und zu seiner Trauer, weil so vieles getan werden muss. Und wenn alles dann geschafft ist, dann kommt die große, gähnende Leere. Und dann stellt man fest, wie erschöpft und traurig man ist. Kein Wunder, wenn du Konzentrationsprobleme im Studium hast. Das, was du erlebt hast, ist so tiefgreifend und einschneidend, dass man schon sehr viel Kraft aufbringen muss, um zurück in den Alltag zu finden und zu "funktionieren". Ich bin sicherlich sehr viel älter als du (schließe ich mal daraus, dass du im Studium steckst) und auch mich hat der Tod meines geliebten Papas völlig aus der Bahn geworfen. Andererseits muss ich sagen, dass er mich auch sozusagen durcheinandergerüttelt hat und ich eine neue Chance bekommen habe. Die Chance zu erkennen, was im Leben mir wirklich wichtig ist. Prioritäten und Werte haben sich verschoben. Das, was mir mal wichtig war, ist vollkommen in den Hintergrund gerückt und vieles, was ich für selbstverständlich hielt, hat heute eine immense Bedeutung für mich. Nun nähert sich der Geburtstag meines Papas und auch sein erster "Todestag"... Ein Jahr ist vergangen und in mir ist so viel passiert. Es war ein schweres Jahr mit Rückschlägen, es war sehr dunkel in mir, oft bin ich gestürzt und wäre am liebsten liegen geblieben, doch ich bin immer wieder aufgestanden und heute stehe ich hier und kann mit einem Lächeln im Gesicht und sehr viel Dankbarkeit in mir an meinen Papa denken. Das wünsche ich dir auch, liebe Lina, und du solltest dir alle Zeit nehmen, um um deinen Papa zu trauern. Es wird nicht leicht sein, aber es ist wertvoll...

Alles Liebe
Miriam

P.S.: Und ich bin sicher, dass du hier auf viel Verständnis stoßen wirst, denn wir hier wissen, wie es sich anfühlt, einen geliebten Menschen zu verlieren...
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Mein Papa erhielt am 18.04.11 die Diagnose Lungenkrebs mit Knochenmetastasen und ging am 21.02.12 ins Licht. Alles vergeht, aber die Liebe bleibt...

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