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Alt 28.03.2013, 18:21
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HelmutL HelmutL ist offline
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Registriert seit: 03.03.2007
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Standard AW: Hinterblieben, nur wo?

Hallo Tom,

schön, mal wieder ein Lebenszeichen von dir zu lesen. Für den Chat hab ich nicht mehr so viel Zeit wie früher. Meine Abende sind inzwischen gefüllt.

Ich ich erinnere mich nur zu gerne an die Zeit im Chat. Lachen, weinen, trösten und und trösten lassen, manchmal einfach nur quatschen, damit die Zeit vergeht. Ein bisschen Leben spüren in der Dunkelheit der eigenen vier Wände um dann mit eckigen Augen wie ein Toter ins Bett zu fallen. Am nächsten Morgen war die Welt oft ein kleines bisschen schöner.

Es war eine unglaubliche und wertvolle Erfahrung, wie nahe beieinander das Leben, der Kampf und der Tod stehen und wie dünn und fließend die Grenzen dazwischen sind. Nirgendwo sonst habe ich einen so großes, scheinbares Durcheinander an Gefühlen, an unbändigem Lebensmut und Hoffnungslosigkeit, an Kampf und Aufgabe, an Wut, Trauer, Todesangst, Sympathie und Antipathie, lachende und weinende Tränen, ein Oben und Unten, Leichtigkeit und Schwere, Hilfsbereitschaft und Aggression zur gleichen Zeit erlebt und gesehen. Vor allem, wie leicht ein Mensch (mich inclusiv) von einem Zustand in den anderen fallen kann. Bedingt durch die Menschen hinter ihren Nicks. Jeder hatte ein anderes Päckchen zu tragen.

Ich denke oft an die Menschen, die ich dort getroffen habe. Menschen, die wieder ins Leben zurückgefunden haben. Menschen, die immer noch kämpfen und die, die ihr Leben inzwischen verloren haben.


Zu den Fotos von oben habe ich noch eine kleine Geschichte. Also nicht direkt zu diesen sondern allgemein. Vor einigen Jahren auf einem Jahresausflug mit dem Computerclub. Zuerst in Speyer und anschließend nach Schwetzingen in den wunderschönen Schlosspark. Natürlich hatte ich meine Kamera dabei und natürlich habe ich viele Fotos gemacht.

Bis mich dann einer meiner Kollege fragte: "Sag mal, schaust du eigentlich nur durch die Linse? Siehst du überhaupt was von dem Park?"

"Wahrscheinlich mehr als du," war meine Antwort, "Du siehst das Schloss, den wunderschönen Park, das Lustschlösschen, die Moschee, den kleinen See und was weiß ich. Doch du wirst dich sicher nicht mehr wissen, wie der Torbogen mit der Fratze im Schlussstein ausgesehen hat. Die kleinen Entenküken, wie sie hinter ihrer Mama aus dem See geklettert sind, das vom Alter gezeichnete Gesicht der Statue da hinten, den Schatten auf der Sonnenuhr, die Sonnenstrahlen durch die uralten Weiden, deren Zweige bis ins Wasser hingen und so vieles mehr. Wie der Park hier aussieht, das weiß ich wohl."

Es ist nicht der weite Blick über die Landschaft. Den hab ich im Kopf. Es sind die kleinen Dinge am Wegesrand. Lichter, Schatten, der Vogel auf dem Zaunpfosten, das Blümchen in der Wiese, oder weit da vorne die Wandergruppe mit ihren knallbunten Winterjacken im weißen Schnee, die das große Ganze zu einer Einheit und einem besonderen Erlebnis machen. Zu jeder Jahreszeit und sei sie noch so ungemütlich und frostig.

Beim Menschen ist das nicht anders.


Liebe Grüße,

Helmut
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