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Alt 02.06.2016, 09:08
Laesperanza Laesperanza ist offline
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Standard AW: One day we will be united....

Guten Morgen,
manchmal frage ich mich, ob ich überhaupt normal bin. Mein Mann ist letzten November gestorben und eigentlich geht es mir gut (ich habe immer ein ganz furchtbar schlechtes Gewissen, wenn ich das sage). Es ist nicht so, dass ich gar nicht weine. Ich weine gelegentlich, aber so richtige Sturzbäche sind es auch nicht. Ich habe eine wunderbare Tochter, ein traumhaft schönes Haus (natürlich war es mit meinem Mann um einiges traumhafter), habe wenige gute Freunde, sehr viele Bekannte mit denen ich auch Unternehmungen mache, finanziell ist es auch kein Desaster, einen Halbtags-Job, der mir größtenteils Spaß macht und mache nun all die Dinge, die mein Mann nicht gerne gemacht hat, die ich aber schon immer machen wollte (wandern, ski fahren, gestern habe ich nun mit Tennis begonnen...). Es ist auch nicht so, dass ich das Gefühl habe, dass ich wirklich eine Psychotherapie brauche. Die letzten 4 Jahre mit der Krankheit waren so mit Angst und Furcht beladen, bei jedem CT ist ein Stück mehr von mir "gestorben". Das letzte Jahr vor seinem Tod war von schlaflosen Nächten geprägt, da immer irgendetwas war (Schmerzen, Erbrechen, Nachtschweiß etc). Ich habe keine Nacht durchgeschlafen, was mir den Rest gegeben hat.
Und dann kommt irgendwann die Furcht hoch, dass ich die Trauer nur komplett verdränge und in 2 Jahren der komplette Zusammenbruch kommt (ich kann es mir zwar nicht vorstellen). Der Hausarzt sagte mir, dass die Trauer erst nach 6 Monaten eintrifft. Aber es ist jetzt nicht anders als am Anfang. Ja, ich vermisse meinen Mann, aber es geht mir eben auch gut und ich habe in den letzten 6 Monaten auch so viel Schönes erlebt (schöne Abende mit Freunden, Urlaube), Und dann wäre ich manchmal einfach nur froh, es würde mich mal so richtig runterziehen, dass ich die Trauer komplett ausleben könnte, um danach neu anzufangen. So habe ich eben das Gefühl, dass ich nicht wirklich trauere (die Trauerbegleiterin meiner Tochter sagt immer zu mir, vergessen Sie nicht, dass Sie bereits am Tag der Diagnose angefangen haben zu trauern). Auf der anderen Seite geht es mir aber eben auch nicht schlecht.
Gibt es hier noch jemand, dem es genauso geht? Ich komme mir echt schon wie ein Alien vor.
LG