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Alt 20.10.2002, 12:39
Gast
 
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Standard Dokumentarfilm über das Tabu Sterben

Lieber Lillebror,

ich bin überzeugt davon, dass das ganze Leben aus Lernprozessen besteht. Aus Lern- und Ablöseprozessen. Auch wenn die meisten dieser Lernprozesse auf das Leben hin abzielen, nur eben dieser eine, der letzte, nicht. Es ist der größte Lernprozess im ganzen Leben. Und wir wissen nicht, welche Hoffnungen sich an dieser Stelle vielleicht doch auf einmal noch ergeben können, selbst mit der Befürchtung der eigenen Nichtexistenz im Nacken. Ich selbst kann natürlich auch nur aus der Theorie sprechen, bin ja nicht in der Situation.
Meine damalige Lage, als ich "erstmal abwarten wollte, weil er es vielleicht noch leugnet" lässt sich doch auch übertragen auf andere Situationen, beispielsweise, wenn eine Frau eben noch nicht realisieren kann, dass die Beziehung nichts mehr wert ist, wenn der Mann sie schlägt. Als Außenstehender muss ich in einer solchen Situation sehr vorsichtig sein und darf die betroffene Frau nicht drängen, wenn sie noch nicht so weit ist. Sie muss ihre Situation selber erkennen und alleine diesen Weg gehen. Ich kann sie vorsichtig und sehr sensibel auf diesem Weg begleiten, aber ich kann ihr ihre Last nicht abnehmen. Kübler-Ross zeigt nur auf, wie man als Außenstehender Verhaltensweisen von Sterbenden deuten kann, natürlich nur mit Rücksicht auf die Individualität des Betroffenen. Mich würde an dieser Stelle interessieren, wie du mit dem Sterben deiner Freundin (es war doch deine Freundin, oder?) damals umgegangen bist. Du warst doch sicher auch auf der Suche nach Berichten von Erfahrungen, die andere mit dem Sterben gemacht haben, um davon lernen zu können, oder? Oder wie kamst du in Berührung mit Kübler-Ross?
Ich gehe übrigens nicht mit allen ihren Ansichten konform. Beispielsweise ihre Schmetterlings-These ist für mich nicht schlüssig, denn der Schmetterling muss ja auch irgendwann einmal sterben. Was passiert dann mit ihm, wohin entwickelt er sich dann weiter?

Freue mich auf eine Antwort von dir und vielleicht auch anderen. Anja.
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