Thema: I miss you
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Alt 15.08.2005, 21:12
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AndreaS AndreaS ist offline
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Standard AW: I miss you

Liebe Simone,
liebe Andrea,

ich hoffe, Ihr empfindet es nicht als aufdringlich, wenn ich euch schreibe. Aber euer Gespräch hat mich sehr berührt, erinnere ich mich an alle Gefühle, die ihr beschreibt, irgendwie durchlebt man sie immer und immer wieder.

@Andrea: Deine Freundin würde es auch nicht aushalten. Weil sie wahrscheinlich gar nicht weiß, was Liebe bedeutet. Wenn man liebt ist es wohl eher so, wie du es sagst: Du machst dir nicht einmal Gedanken darüber. Wieso auch? Es ist so normal, dass man da ist für den geliebten Mann. Es ist so normal, dass man keine Lust mehr hat auf irgendwelche unwichtigen Verabredungen, unsinniges Zeitvertreiben. Und es ist trotz aller Angst und allem Kummer eine so innige und intensive Zeit, wie sie solch oberflächliche Menschen niemals erleben werden. Ich wünsche Dir und Deinem Mann alles Liebe und ganz viele innige Augenblicke, die ganz vielen Menschen niemals vergönnt sind.

Vor zehn Monaten habe ich hier zum erstenmal geschrieben, habe meinen Schmerz rausgeschrieen, meine Verzweiflung versucht in Worte zu fassen. Und seither ist dieses Forum Teil meines Lebens, ein Rettungsanker wenn die Seele weint.

Damals wurde ich sehr liebevoll empfangen. Einige der Mitschreiberinnen waren bereits ein Stück weiter in ihrer Trauer als ich es war, so wie ich heute für Dich Simone. Ich wollte damals nicht glauben, was sie mir sagten, womit sie versuchten, mich zu trösten, nämlich, dass es „besser“ wird. Der Schmerz bleibt, aber er verändert sich. Ich wollte und konnte es nicht glauben. Denn wie sollte es jemals besser werden ohne meinen geliebten Mann. Heute, wie gesagt 10 Monate später weiß ich, dass es stimmt. Ich lese noch oft die alten Beiträge, erinnere mich und frage mich, wie konnte ich das aushalten.

Warum ich mich jetzt in euer Gespräch „einmische“ ist, dass ich Dir liebe Simone einfach nur erzählen möchte, was sich verändert hat, ganz langsam, durch zahllose schmerzliche Tage und Nächte voller Leid und Tränen. Auch mir war der Gedanke unvorstellbar, dass mein Mann so wichtige Momente besonders im Leben unserer Kinder, nicht erleben würde. Es stimmt, sein Körper wird es nicht erleben, aber er ist da, immer und überall.

Das schwierigste für mich war, die Tatsache zu akzeptieren, dass es nicht mehr so ist, wie es einmal war. Auch ich bin im Oktober gestorben, ebenso jedes unserer Kinder. Keiner wird jemals wieder so sein, wie er vor dem Tod von Claus war. Unsere Aufgabe durch die Trauer ist es, unsere neue, eigene Identität zu finden, ein ICH, das es mit ihm nicht mehr gibt, jedenfalls nicht mehr wie zuvor. Der Weg dorthin ist sehr einsam, denn die wenigsten der sogenannten „Freunde“ können auch nur erahnen, was es bedeutet. Das erfährst Du gerade durch so tolle Vorschläge deiner Freundin – einfach nur voll daneben. Aber Du wirst auch erfahren, dass es leichter wird „auszusortieren“ und was dir dann bleibt, sind wirkliche, ehrliche und ganz besondere Freunde. Vielleicht nur ein oder zwei (wie bei mir) aber die sind ganz besondere Schätze. Du wirst auch erfahren, dass Dich Banalitäten nicht mehr verletzen. Du musst soviel Schmerz ertragen, Du kannst Unwichtigkeiten keinen Wert mehr beimessen und das ist für mich jedenfalls sehr positiv.

Vielleicht klingt es jetzt ein wenig seltsam, aber ich versuch mir und meinen Kindern glaubhaft zu machen, dass es meinem Mann und ihrem Papa jetzt einfach besser geht, dass wir nicht so egoistisch sein dürfen, weil wir ihn gerne hier haben möchten, sondern uns für ihn freuen, dass er alles hinter sich hat und in aller Ruhe auf uns warten kann.

Als unser jüngster Sohn (12) vor kurzem gemeint hat, dass er es schrecklich findet, dass jetzt eigentlich der Oktober ein so trauriger Monat sein wird, ist ganz spontan der Plan entstanden, dass wir Papas Todestag nicht als traurigen Tag begehen wollen, sondern als seinen ersten Geburtstag im neuen Leben. Wir werden ein kleines Fest machen mit den Menschen, die uns wirklich in dieser schweren Zeit begleitet haben, ohne Berührungsängste, und werden unsere Hoffnung feiern, dass es Claus dort wo er jetzt ist, gut geht. Und ich weiß, dass er an diesem Tag in unserem Haus zu spüren ist und dass er es gut findet.

Dein Mann ist überall, Du wirst es spüren, wenn Dein eigener Schmerz ein wenig Platz macht. Du wirst spüren, dass eine Nähe entsteht zwischen Dir und ihm, die auf seltsame Weise noch intensiver sein kann, als vorher. Die Seele meines Mannes ist ganz nah bei mir, in mir, ohne den physischen Abstand, der zu Lebzeiten bestehen musste.

Mein Gott, soviel geschrieben und ich hätte noch so viel zu erzählen.

Ich wünsche uns allen die Kraft, die wir brauchen unseren Weg zu gehen.

LG
Andrea
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