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Alt 07.11.2005, 12:47
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Sandra! Sandra! ist offline
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Standard AW: Meine Mama hat losgelassen...

Liebe Siri,

zunächst möchte ich dir mein tiefes Mitgefühl für deinen schmerzhaften Verlust deiner geliebten Mama aussprechen. Ich kann sehr gut nachvollziehen wie groß dein Schmerz und deine Wut auf diesen Schicksalsschlag ist. Mein Vater ist am 06.10.2005 nach kurzer aber heftiger Krebskrankheit von uns gegangen. Er hat die Diagnose Magenkrebs mit Lebermetastasen erst im Juni 2005 erhalten. Wir waren alle absolut geschockt, als wir davon erfuhren. Wir wussten zwar, dass es für ihn keine Heilungsmöglichkeiten gab, aber dass er so schnell von uns gehen würde, damit hat von uns gerechnet. Er war erst im Februar mit 63 Jahren in den Vorruhestand gegangen. Und nun ... .

Als ich deinen Bericht gelesen habe liefen mir die Tränen. Denn genauso wie du dein Erlebnis mit deiner Ma beschrieben hast, so war es auch bei mir. Ich bin 32 Jahre und habe auch noch nie hautnah erlebt wie es ist, wenn ein Nahestehender stirbt. Als ich am 05.10.2005 ins Krankenhaus kam um meinen Vater zu besuchen, wurde ich von der Krankenschwester auf dem Flur abgefangen. Sie warnte mich vor, dass mein Vater wieder etwas körperlich abgebaut hat und dass beim ihm bereits das Sterben eingesetzt hat und man nicht sicher sagen könne, ob er diese Nacht noch überlebt. Obwohl ich bereits vorher schon wusste, dass ihm nicht mehr viel bleiben würde, war ich absolut geschockt. Nie hätte ich gedacht, dass nun alles so schnell zu Ende gehen würde. Er hatte auch immer so tapfer gekämpft und alles gegeben. Aber gegen das plötzlich auftretende Wasser im Brust- und Bauchbereich und gegen den neuen Tumor im Bauchfell, hatte er einfach keine Chance mehr. Ich war an dem Tag bis kurz nach Mitternacht bei ihm. Habe ihn schön zugedeckt, immer für ausreichend Schmerzmittel (Morphium) gesorgt, ihn gestreichelt und ihm alles gesagt, was mir wichtig war. Unter anderem das Versprechen, dass ich mich um seine Frau (meine Mutter) kümmern werde und er nun gehen könne, damit er endlich seine Erlösung von seinen Qualen findet. Als ich ging, war er bereits ganz entspannt. Ich spürte, dass er mich bei seinem letzten Atemzug nicht brauchte, da er bereits nicht alleine war. Er wurde von seinen bereits verstorbenen Verwandten abgeholt. Es war ein ganz seltsames Gefühl ihn gehen zu lassen. Ich habe sehr viel geweint, da ich zum einen unendlich traurig über den schmerzhaften Verlust, aber auch sauer und wütend auf die „Ungerechtigkeiten“ im Leben war. Warum er und warum jetzt? Wir hatten doch noch so viele Pläne und Wünsche! Andererseits war ich – genauso wie du – froh darüber, dass er endlich von seinem Leid und den unerträglichen Schmerzen erlöst wurde. Er hatte von Anfang an keine Chance gehabt den Kampf gegen den Krebs zu gewinnen, er war einfach zu aggressiv.

Als nachts das Telefon ging, wusste ich sofort, dass es das Krankenhaus ist. Ich fuhr sofort zu meiner Mutter um sie zu informieren. Sie wusste es bereits, da sie zwischen 3:00 und 4:00 Uhr von einem seltsamen und schmerzhaftem Gefühl geweckt wurde. Wir beide hatten ein mulmiges Gefühl gehabt, das Krankenzimmer meines Vaters zu betreten. Da wir nicht wussten, was nun auf uns zukam. Und es war genauso wie bei dir! Er lag dort ganz ruhig und friedlich. Von all den Strippen und Infusionen befreit. Er war umgeben von einer unbeschreibbaren Stille und Ruhe. Sein Gesicht war nicht mehr schmerzverzerrt so wie all die Wochen zuvor, sondern ganz glatt und faltenfrei. Der Körper war noch recht warm, aber so ungewohnt leblos. Seine Mundwinkel waren fast zu einem zufriedenem Lächeln geformt. Sein zufriedener Gesichtsausdruck und das Wissen, dass er friedlich und ohne Schmerzen eingeschlafen ist, tröstete etwas unseren großen Kummer, aber der unbeschreibbare innere Schmerz über den Verlust unseres geliebten Vaters / Mannes, der einen fast zu zerreißen scheint, ist bis heute geblieben.

Ja, das Leben geht zwar weiter. Aber Alles ist anders und Nichts ist mehr so wie es vorher war. Was nicht bedeuten muss, dass für uns nun keine schöne Zeiten mehr kommen werden. Irgendwie wird man sich irgendwann wohl oder übel mit den neuen Umständen und Gegebenheiten arrangieren. Wobei es mir jetzt vor Weihnachten – dem Fest der Liebe – graut. Ich denke auch, dass wir unsere Lieben irgendwann, wenn für uns die Zeit gekommen ist, wiedersehen werden. Aber bis dahin müssen wir irgendwie durchhalten und ohne sie zurechtkommen. Deine Mutter und mein Vater schauen uns bestimmt von „Oben“ zu und die beiden sind bestimmt nicht erfreut darüber, wenn sie uns beide hier so traurig sehen. Daher müssen wir um so mehr positiv nach vorne schauen.

Man, jetzt habe ich so viel geschrieben. Sorry. Eigentlich wollte ich dir nur sagen, dass du mit deinem Kummer und deinem Schmerz nicht alleine bist. Außerdem wollte ich dir auch ganz viel Kraft für die kommende schwere Zeit wünschen. Denn die erste Zeit kurz nach dem Tod (so war es bei mir), hatte ich so viele Angelegenheiten mit der Bestattung, den Banken, Versicherungen, Behörden etc. zu tun, dass ich von meiner Trauer richtig abgelenkt wurde. Jetzt, wo ich wieder etwas mehr Freizeit habe und mehr zum Nachdenken komme, geht es mir wieder richtig schlecht. Irgendwie muss ich ständig an meinen Vater denken und vermisse dann die gemeinsame Zeit die wir künftig nicht mehr zusammen haben.

Liebe Grüße sendet dir Sandra
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