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Alt 27.12.2005, 00:43
Liz und Willy Liz und Willy ist offline
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Standard AW: Bye bye Dad, I love you .... Alfred 16.2.1972

Darling Daddy

Der Stress mit Klinikbesuche und Feiertage unter einen Hut zu bringen ist der wahre Wahnsinn.

Am Heilig Abend hatten wir noch ein paar Einkäufe zu erledigen, Gott sei Dank nichts mehr für das Essen. Aber auf Grund der Situation mit Willy, Mami, Nicole und mir selber hatte ich weder im November noch im Dezember die Chance, Zeit oder Lust dazu. Und doch wollten wir nicht ohne etwas auf dem Gabentisch da sein. Also hiess es früh aufstehen und in die Stadt fahren, planlos, mit wenigen Ideen und bekannte Wünsche liessen wir uns durch die gestressten Menschenmenge leiten und nahmens ganz gemütlich nach dem wir Mamis Katzen erstmal versorgt hatten. Am Schluss hatten wir doch etwas passendes, kleines und von Herzen kommendes gefunden, mehr noch wir hatten seit der Diagnose meiner MS und dem Tod von Will’s Eltern (2001 und 2002 sowie Will’s Diagnose) das erste mal wieder das Gefühl , es macht uns eine Freude etwas zu schenken - die Wiederentdeckung der Freude am Schenken wurde geweckt und das Gefühl wieder zu spüren tat sehr, sehr gut.

Trotz, oder vielleicht gerade weil Nicole nicht mehr da ist, haben wir am Heilig Abend wieder das Bedürfnis nach dem Besinnlichen gefunden, das Hadern ist weg, es ist einfach nur grosse Trauer und Ratlosigkeit da. Aber kein Hadern mehr und das tut auch gut.

Bevor wir heimgingen, gingen wir noch einmal in die Klinik, um nach Mami zu sehen. Sie hatte das CT an dem Tag und doch wurde es nicht ausgewertet, weil niemand da war um es auszuwerten. Sie haben offenbar von oben bis unterhalb der Knie sie geschichtet! Leider wissen wir bis heute nichts. Die Ausscheidung ist nach wie vor sehr, sehr schlecht, das heisst die Nieren wollen nicht arbeiten, sie planen eine Dialyse, falls es nicht vorwärts gehen sollte.

Danach sind wir heimgefahren, haben die letzten Päckchen noch eingepackt und sind dann noch vor dem Abendessen mit den Boys zu Mami in die Klinik gefahren und haben ihre Geschenke gebracht.

Mami hat schon am späteren Nachmittag nicht damit gerechnet, dass wir kommen, aber dass wir alle am Abend nochmals bei sein würden, an das hat sie absolut nicht gehofft oder gedacht. Das war für sie glaube ich das schönste Geschenk.

So kam es, dass wir erst um 20.45 anfingen mit dem Kochen - Marc hat uns diesmal verwöhnt in dem er die Entenbrust mit Orangensause gemacht hat. Eine Delikatesse sage ich dir Daddy - er hat sehr viel von dir, auch was das Kochen anbelangt, geschweige denn deine "Figur" und Aussehen inkl. hoher Stirn und beginnende Glatze - ne, ne keine Glatze - nur Auslichtung wie er sagt, komisch das hast du auch immer gesagt!!!!!

Danach hätten wir fast vergessen die Bescherung zu machen.....

Die Boys sind dann zu ihren Goldschätzchen gegangen und Willy und ich in die Kirche, sie war gerammelt voll. Aber ein treffenderes Thema für den Gottesdienst hätte es nicht geben können, und wie wenn ich es gerochen hätte habe ich meine Gedanken und Gedenk Laterne mitgenommen, mit einer schönen grossen Kerze drin, einer kleinen Geige und ein Engel. Das Thema war Engel und das Licht das sie verbreiten. Das Lebenslicht. Als wir ankamen wurde uns allen eine Kerze überreicht, so sassen gut und gerne 300 Personen da drin mit einer Kerze in der Hand. Willy setzte sich und ich stellte die Laterne vor uns auf einen Tisch hin und zündete in aller Ruhe die Kerze an um so unser Licht immer vor Augen zu haben. Wir hatten Glück noch 2 Plätze an der Seite zu bekommen, sonst war alles besetzt, und noch schöner war festzustellen, dass wir so sogar vorne waren und unmittelbar beim Chor, denn der Gottesdienst war nicht nach vorne gerichtet sonder zur Seite wo wir sassen, alle Stühle bildeten einen Halbkreis. Die Predigt war wunderschön, nicht langweilig, von Herzen kommen und wunderschön wie das Thema an sich. Der Gregoranik-Kreis-der Knabenkantorei sang was das Herz hergab, einfach traumhaft. Danach wurde "oh du Fröhliche" und natürlich mein Lied "Stille Nacht, heilige Nacht" angestimmt. Das schöne war, dass alle lautstark und schön sangen so war die ganze Kirche voller Leben.

Noch vor den beiden Abschlussliedern die wir alle sangen hiess es die Kerzen anzuzünden und das Licht weiterzureichen an den Nachbarn. Die Kirche war ja schon mit Kerzen und Kerzenleuchtern beleuchtet - kein anderes Licht brannte, was so schön war. Ich stand auf und zündete die mir überreichte Kerze an der Kerze in unserer Gedanken - und Gedenk Laterne an und überreichte einigen Reihen hinter uns und vor uns das Licht um es weiter reichen zu lassen, so wurde aus einer leicht erleuchteter Kirche eine hell erleuchtete Kirche. Das war ein Erlebnis - wie sich ganz langsam die Kirche erhellte und voller lauter Lichter strahlte. Es strahlte auch eine wunderbare spürbare Solidarität aus. Wir liefen dann raus mit den brennenden Kerzen und der erleuchteten Laterne. Auf dem Weg raus, kamen viele zu uns und sagten sie fanden es so schön, dass wir unser eigenes Licht mitbrachten und an sie verteilten. Vor der Kirche gibt es eine sehr hohe und der Länge der Kirche lange Mauer an deren Wand ganz viele Teller, Vasen, Tassen, Schalen, und Gefässe fest gemacht sind - alle mit Ausnahme ganz weniger in weiss. Darauf, wir an einer Klagemauer haben sich viele schriftlich verewigt. In einer viereckigen Servierschale fixierten wir mit ein paar Wachstropfen unsere beiden Kerzen und liessen sie an der Wand ganz abbrennen. Danach fingen andere auch an dies zu tun und so war bald die Wand voller brennenden Kerzen, sah einfach toll und besinnlich aus. Die Basler Klagemauer - wir haben ja im Dezember schon das grosse Wunschbuch.

Wir liefen durch die ganze Innenstadt mit der brennenden Kerze in der Laterne - das tat uns sehr gut.

Auf der Mittleren Brücke stellten wir sie auf den Sandstein des Brückenrandes und wir liessen ganz, ganz viele weisse und rote Federn in die Luft und danach in den Rhein fliegen. In ruhigem und dann wieder wildem Tanz, je nach Windsituation, tanzten und schwebten zeitweise ganz quirlig sie sich mit dem Wind dem Himmel empor um dann - irgendwann ohne Zeitdruck und Hast - im Rhein sich nieder zu lassen und als schwimmende Mini-Federschiffchen zu landen und in Richtung Deutschland und am Schluss Holland zu treiben. Ein paar wurden ganz hoch in den Himmel getrieben bis sie dann sogar auf der anderen Brückenseite wieder runter ins Wasser schwebten. Mit jedem Federchen waren unsere Gedanken besinnlich bei jemandem der uns nahe stand.

So haben wir aus einer Weihnacht vor der wir uns eher gefürchtet hatten für uns einen Tag gemacht der für uns wenigstens ein wenig stimmte. Diese Rituale taten gut. Schön wäre es natürlich gewesen wenn wir Schnee gehabt hätten, aber man kann nicht alles haben.

Am 25. kam unsere Freundin zum Brunch, im Anschluss war wieder Katzenbetreuung angesagt, und das gut und gerne 16km entfernt. Danach ging wir zu Mami in die Klinik, die Schmerzen sind dank Morphium nun erträglich, sie hatte die Nacht zuvor einen Schmerzpik der die Schmerzskala von 1 - 10 um 2-3 Punkte übertroffen hatte - Mami schrie anscheinend ganz laut auf als die Schmerzen so stark waren, danach gaben sie ihr erneut Morphium. Leider sind die Nierenwerte immer noch nicht gut - ich war total erstaunt, die Schwestern riefen den Oberarzt ohne, dass ich danach fragte, er wollte dann mit mir unter 4 Augen sprechen. Sorgen machen ihm die Nieren - eine Dialyse ist für den Notfall geplant. Aber auch dass Mami ausser ein, zwei Mandarinen nichts, aber gar nichts essen mag (sie hat Diabetes und es wäre sehr wichtig). Jetzt haben sie die Infusion auf Glucose umgestellt, damit sie nicht in ein Hypo sinkt. Auffällig ist, dass sie oft wie abwesend wirkt. Sie ist auch eher apathisch. Betreffend Schmerzursache, müssen wir den morgigen hmmmm.... ne den heutigen Tag abwarten. Am Samstag Morgen hat sie eine riesen Blutlache im Bett gehabt, da hat auch der Arzt gesagt, dass sein nicht gut, denn sie hat eh schon eine Anämie. Eine erneute Bluttransfusion ist nicht ausgeschlossen.

Ich merke Mami deutlich an, dass sie dem Personal und den Docs eine bessere Situation vormacht, ich habe ihr gestern gesagt, dass ich sehr gut zwischen ihren Zeilen lesen kann und sie sich nicht verstellen soll.

So Daddy wie du siehst, geht es ihr nicht sehr gut, das einzige was wirklich passiert ist, ist dass sie eine Schmerzreduktion dank Morphium hinbekommen haben. Mehr leider nicht.

Morgen früh werden wir für ein Gespräch mit den Docs erwartet.

Noch was mein liebster Daddy - wir, als Familie, haben beschlossen deinen Todestag am 16.2. zum Gedenktag an alle Lungen- und Mundhöhlenkrebs- resp. Rauchertodesopfer zu machen, so werden wir an diesem Donnerstag, wenn es dunkel ist, in Basel 10,000 für jedes Todesopfer anzünden. Nun heisst es zu planen und organisieren und die Bewilligungen einzuholen.

I love you darling Daddy, I wish you were here..... I just want to be in your amr, just once more, to have this feeling of you you being as near as possible to me.

Dini Gigaxel

P.S. Willy wird eine weitere Überraschung bekommen - wir werden die Patin von Marc im Kloster besuchen bevor wir nach Einsiedeln fahren. Ich freue mich wie ein Christkindchen drauf sein Gesicht zu sehen und die Freude zu spüren als sein lang gehegter Wunsch und seine Sehnsucht erfüllt werden.
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Willy 54 J. LK Pancoast Tumor Adeno. ES 8/02 ED 11/02, Radio-Chemo, Op. 2/03 seither Teilgelähmt, O2-abhängig
Liz MS im Rolli. Gebärm.ca. 8/05
Mami 10.4.1934 - 7.9.2009
inoper. Hirntumor 10/07, Blasenkrebs 1/09
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