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Alt 20.02.2006, 17:04
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rezzan rezzan ist offline
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Standard AW: Bitte dringend um Hilfe, wie würdet ihr in meiner Situation reagieren

Liebe Petra,
es ist schön, dass du mich nicht missverstehst. Und du kannst mir auch glauben, dass ich sehr wohl weiß, was es heißt jeden Sonntag bei den Eltern zu sitzen. Ich habe vor drei Jahren meine Mutter verloren, die ich zwei Jahre lang bei ihrem Kampf begleitet habe.

Seit Dezember ist mein Vater wieder zu mir gezogen, der Lungenkrebs hat. Ich bin selbstständig und habe einen 12-Stunden Arbeitstag. Wenn ich nicht arbeite, verdiene ich nichts. So einfach ist das. Meine Schwester nimmt mir tagsüber vieles ab, aber die meiste Zeit hetze ich zwischen Krankenhaus, Artzbesuchen, zuhause und Kundenterminen hin und her. Meine Entspannung JEDEN Tag und JEDEN Abend ist es, mit meinem Vater im Wohnzimmer zu sitzen und ihm mutzumachen. Sobald er eingeschlafen ist, schmeisse ich den Haushalt, bereite sein Essen für den nächsten Tag vor und arbeite mit dem Laptop bis spät nachts. Und wenn ich mich hier so in diesen Forum umlese, sehe ich, dass das alles immer noch nichts ist, zu den Belastungen, die andere noch tragen müssen.

Ich schreibe dir das nur damit du verstehst, dass ich da nicht leichtfertig und total unwissend antworte.

Bei aller Kritik habe ich vor allem eines für dich: Ehrliches Mitgefühl, es ist einfach schrecklich und schwer und man hat immer wieder Phasen, wo einem alles über den Kopf wächst. Aber trotzdem darf man nicht blind für die Sorgen und Ängste der anderen werden. Ich bin sicher, dass deine Mum mindestens genauso leidet wie du - und sie kann sich der Situation doch auch nicht entziehen. Und ich wollte nur versuchen, deinen Blick ein ganz kleines bißchen darauf zu lenken. Wenn man so verzweifelt ist, neigt man schnell dazu alle Wut die man eigentlich auf die Krankheit und die ganze ungerechte Situation hat, auf einen anderen Menschen zu projizieren. So ging es mir damals mit meinem Vater, als meine Mutter schwer erkrankte. Irgendwie konnte er gar nichts mehr richtig machen, ich fand ihn nur noch egoistisch und rücksichtslos...und war so blind dafür, dass er genauso elendig gelitten hat und einfach nicht wusste, wie er damit umgehen sollte. Jetzt wünsche ich mir, ich hätte damals bei ihm Kraft und Hilfe gesucht statt ihn insgeheim für alles verantwortlich zu machen.

Vielleicht findest du ja einen Weg. Das wünsche ich dir und deinen Eltern sehr. Rezzan
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