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Alt 21.01.2003, 09:03
Gast
 
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Standard Malignes Melanom

Liebe Petra,
die Frage wer gesünder lebt, der der nichts weiß oder der, der alles weiß ist nicht so leicht zu beantworten. Wie Sascha oben sagt, ist der, der sich nicht viel informiert und Gedanken macht theoretisch gut dran, denn dann macht er sich u.U. auch keine Sorgen. Aber wer weiß, daß der Mensch auch eine Psyche hat, die bei einer so heftigen Diagnose eben auch betroffen ist, der weiß auch, daß das Unterbewußtsein den Druck, den Schock und die Sorgen auf anderen Kanälen verarbeitet, wenn man nicht mit dem Verstand daran geht. Dann kommen nämlich die sogenannten psychosomatischen Beschwerden zum Ausdruck (Schlafstörungen, Bauchschmerzen, Depressionen und was es da sonst noch so alles gibt). Und mit denen gilt es umgehen zu lernen. Ich gebe Dir recht, wenn Du sagst, man darf den Kopf nicht in den Sand stecken. Mit meinem Tip oben an Sascha...


...hallo Sascha,
...mit meinem Tip oben an Dich meinte ich nicht, daß Du Dir keine Informationen mehr holen sollst. Ich finde Informationen sogar sehr wichtig. Aber es ist eben auch wichtig, sie konstruktiv und für das positive Krankheitsbewältigungsgeschehen einzusetzen, damit sie nicht in die falsche Richtung gehen und einen auffressen, wie Du sagst.
Weißt Du, ich habe selbst erlebt, wie schwierig das Umdenken-lernen ist und wie schwierig es auch ist, sich immer wieder "gute Tips und Ratschläge" von anderen anhören zu müssen, ohne im Moment (im Hier und Jetzt) zu wissen, wie man sie umsetzen kann. Das erste Wichtige dabei war für mich, war, herauszufinden, zu spüren, was ich will. Ich wollte nicht sterben. Dann habe ich (mit Unterstützung) gelernt, daß noch wichtiger war/ist als "ich will nicht sterben", "Ich will leben!!!". Der nächste Lernschritt war, rauszufinden, warum ich leben will und was für mich überhaupt "leben" bedeutet. Und dann habe ich in klitzekleinen Schritten, mit viel Geduld mir geholt, was mir gut tat (wieder mal ins Kino gegangen, Kontakte geknüpft, tanzen gegangen, meine Wohnung umgeräumt, mir Zeit zum Lesen genommen, Massagen geholt, Besuche gemacht, ..., alles Dinge, zu denen ich vor der Diagnose, wegen zu hohem Arbeitseinsatz keine Zeit hatte). Du hast eine Familie, da sind auch noch viele andere Möglichkeiten/Dinge angesagt, die es u.U. natürlich auch noch schwieriger machen. Du sprachst von Hausplanung usw., das will natürlich alles sehr gut überlegt und vorbereitet sein. Aber kein Mensch auf der Welt wird Dir eine wirklich einschätzbare Prognose geben können, deshalb mußt Du einfach mit dem Risiko leben lernen, möglichst ohne daß es Dich auffrißt. Gerade deshalb ist es so wichtig, z.B. mit Deiner Frau zusammen zu überlegen, wie Ihr mehr jeden Tag, jede Woche für Euch nutzen könnt, jeden guten Moment bewußt nutzen, erleben und genießen, damit Du/Ihr ein gutes Polter aufbaut und die depressiven Phasen dabei abbauen könnt. Den Gedanken an Zukunft und Haus usw. mußt Du deshalb ja nicht verwerfen. Ager etwas mehr Lockerheit, weniger Verkrampfung wäre sicherlich für Deine Seele hilfreich. Vielleicht kann es dann ja auch sein, daß Ihr nach einiger Zeit des Umdenkens und positiver Momente Sammelns irgendwann einen ganz anderen Plan entwickelt, weil sich Eure Wertigkeiten verschoben haben und Ihr andere Prioritäten entwickelt habt.
Nach meiner Melanom-Op 1991 habe ich mir im Übrigen noch weitere acht kleine Leberflecken rausnehmen lassen, davon waren 4 dysplatisch. Gott sei dank habe ich gelernt, zu sehen, daß sie zum Glück noch nicht maligne waren, anstelle mir zu sagen, sie seinen nicht in Ordnung gewesen. Es ist eben ein Unterschied zwischen den Einstellungen "Das Glas Wasser ist halb leer." und "Das Glas Wasser ist halb voll.".
Puh, schon wieder so 'ne lange Rede, aber mir war wichtig, Dir mal meine Gedanken und Erfahrungen mitzuteilen, um Dir Mut für "kleine Schritte" zu machen.
Also, langer Rede kurzer Sinn:"Im Leben bleiben" bedeutet, das Leben aktiv zu gestalten, am Leben teilzunehmen, gesunde Anteile zu fördern, Dinge zu tun, die Freude machen, Entspannung bringen oder neue Erfahrungen ermöglichen, und auch, sich selbst und die eigenen Gefühle wichtig nehmen.
Hab' Mut, es auszuprobieren und neue, gute, Erfahrungen zu machen.

liebe Grüße von Birgit
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