Einzelnen Beitrag anzeigen
  #3  
Alt 14.06.2006, 11:40
Norbert-63 Norbert-63 ist offline
Neuer Benutzer
 
Registriert seit: 13.06.2006
Beiträge: 3
Standard AW: Mein Vater hats nicht geschafft

Hallo Susanne,
wenn ich so deinen Bericht lese, tust du mir wahnsinnig leid. Das Schicksal hat dich ganz sicher nicht verwöhnt. Selbst wenn du irgendwann den frühen Tod deiner Mutter verkraftet hattest und dein Körper dir befahl weiterzuleben, so war es schon damals sicher extrem schwer für dich. Aber du hattest ja auch jemanden, der dir Halt geboten hatte, dein geliebter Vater, der in der Sorge um seine Kinder, insbesondere um die Kleinste - Dich - garnicht richtig die Möglichkeit hatte, über den eigenen Schmerz des Verlustes seiner Partnerin nachzudenken. Und nun verlierst du mit knapp 30 den Menschen, der dir schon ewig starker Vater und warmherzige Mutter zugleich war. Wenn ich mir deine Gedankenwelt so vorstelle, bekomme ich fast ein schlechtes Gewissen bezüglich meiner vergleichweise weniger schlimmen Lage - wobei ich weiß, dass das natürlich totaler Quatsch ist. Aber genau deshalb wiegen deine tröstenden Worte um so mehr. Danke !
Ja leider werden wir alle nicht auf den Tod vorbereitet. Solange der Tod zumindestens die biologische Reihenfolge (das eigende Kind zu verlieren ist für mich völlig unvorstellbar) einhält, erleben wir den Verlust eines extrem nahen Menschen normalerweise zwei vielleicht drei Mal, wobei ich mir nicht mal sicher bin, ob es dann beim zweiten Mal gut ist, es schon zu kennen, oder erst recht Angst macht. Aber daran will ich besser noch nicht denken. Vor allem aber bekommen wir auf's Deutlichste zu spüren, dass wir alle, obwohl doch selbst fest im Leben stehend, noch irgendwo Kinder sind, denen allein das Wissen, Eltern zu haben, ein gewisses Gefühl der Obhut gab. Tja, und das soll bei mir zum Teil, bei dir ganz, nicht mehr sein.
Das Einzige, was mir gut tut, ist zu wissen, dass ich bei meinen Vater war, als er starb. Ich hab mal gelesen, dass der sterbende Mensch seine aktive Kommunikationsfähigkeit frühzeitig aufgibt, so wie es auch bei unseren Vätern war, als sie dann irgendwann nur noch nickten, wenn man sie ansprach, und auch dass irgendwann ausblieb. Aber die passive Kommunikation, das Wahrnehmen und Verstehen von Worten, das Spüren von Berührungen, selbst mitunter das Sehen, sollen oftmals bis kurz vor dem Tod funktionieren. So konnte ich ihm zumindestens das Gefühl geben, nicht allein und verlassen zu sterben.
Du fragst, woran soll man glauben. Eigentlich nur daran, dass er in unseren Erinnerungen, vor allem aber in unserem Tun weiterlebt. Mein Vater hat mir eine Lebenseinstellung weitergegeben, an die er immer mit einer gewissen Geradlinigkeit festgehalten hat, obwohl es ganz sicher weder vor der Wende noch nach der Wende immer von Vorteil war, aber er hängte nie seine Fahne in den aktuell wehenden Wind. Das ist für mich Lebenssinn genug, es ihm gleichzutun. Es gibt so viele schöne Sachen, die ich mit ihm, mit meinen Eltern erlebt habe, dass ich immer das Bedürfnis habe, auch bei meinen Kindern diese Freuden zu erwecken. Und immer, wenn ich das schaffe, kann ich in den Spiegel schauen, und erblicke die Augen eines Vaters, der für seine Kinder alles gibt - die Augen meines Vaters. Irgendwo habe ich einmal gelesen: "Das Schönste, was ein Mensch hinterlassen kann, ist das Lächeln in den Gesichter jener, die lieb an ihn denken" - ich glaube, da ist ganz viel dran. Und ich weiß, ich werde es packen, schon allein meinen Kindern zuliebe. Und wenn ich lese, wie stark du schon in deinem Leben das Schicksal gemeistert hast, bin ich überzeugt, dass auch du es schaffst.
Und so beantwortet sich die Frage von selbst: Wir müssen an uns selbst glauben, an die Kraft, die uns unsere Väter mitgegeben haben.
In diesem Sinne wünsch' ich dir viel Kraft und grüße dich ganz lieb
Norbert
Mit Zitat antworten