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Alt 01.08.2006, 22:55
nordisch nordisch ist offline
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Standard AW: Ein Jahr ist nichts.

Hallo Petra,
ich glaube wir hatten zu der Zeit sogar schon mal miteinander geschrieben?!
Ich freue mich über deine Antwort.. Ich habe mich oft gefragt wie es den anderen geht, die zu "meiner Zeit" auch hier waren, aber wollte einfach nicht hierher gucken, aber ich glaub, viele sind auch gar nicht mehr aktiv?

Mein Papa, mmh, war ein Arbeitstier, er liebte arbeiten, wurde arbeitslos und bekam Krebs... Er war ein Einzelgänger und wir 4 waren alles für ihn und seine Tiere und sein Bruder, mehr gab es eigentlich nicht in seinem Leben. Noch den Rest der Familie und einige wenige Freunde aber die bedeutedem ihm nciht so viel. Sein Aquarium war alles für ein, seine Liebe, sein stolz, ein 1000 oder 1500L Becken, Meerwasser, es war ein Traum, ich durfte es pflegen wenn er weg war, dann die erste Chemo und alles ging kaputt, über die Hände strahlte irgendwie was davon ins Becken und die Tiere starben, Papa hat es sich nie verziehen, seine Tiere...
Er wollte immer das Beste für uns, was wir leider nicht ganz so sehen.. "Zieht Hausschuhe an"
Papa und ich haben uns oft angezickt, weil wir beide Sturköpfe waren und uns sehr ähnlich sind. Oft saß er Nachts, wenn ich nach Hause kam noch im Wohnzimmer, wir hörten dann noch zusammen Musik und unterhielten uns über alles.. (z.B. haben wir auch da das Lied gehört "time after time" er sah mich an und sagte "dabei möchte ich beerdigt werden") Überhaupt hörten wir oft zusammen Musik oder blieben wach um irgendwelche Konzerte im Fernsehen zu sehen, saßen Stunden zusammen vorm PC er hat mir alles beigebracht, ich fühlte mich im Stich gelassen weil er immer sagte "mach selber" dabei wollte er nur das ich es lerne..
Als er krank wurde, hab ich immer mehr gemerkt was für einen tollen Papa ich habe, ich hätte alles für ihn getan.
und das hab ich auch und das wußte er.
Er hat mich für meine stärke in der Zeit bewundert, weil ich mir nie anmerken liss wie schrecklich er aussah.. Mein Brüder konnten ihn ja teilweise nicht mehr angucken..
Am meisten hat es mir wehgetan, was er mir gesagt hat, weil ich gemerkt habe was ich alles verliere... Es tat so weh "ich bin stolz auf dich" "was machen die armen Schweine die nicht so eine Tochter haben".. Ich fands schrecklich.
Und den Tod. Ich krieg die Bilder nicht aus meinem Kopf, wie die Augen sich wegdrehten, das Atmen die Geräusche.. Wenn jetzt irgendwelche Personen die Augen verdrehen, bekomme ich Gänsehaut.
Ich habe mit Papa sehr viel übers sterben geredet. Das tat mir gut.
Aber ich erinner mich nun mehr an die letzte Zeit mit Papa, als an die Zeit ohne Krankheit.
Wir wollten noch zusammen Pink Floyd über die Dolpy-Anlage hören, wir haben es nicht geschafft. Das sind so Sachen die mir immer wieder einfallen.
Ausserdem gibt es Tage die mich tierisch ankotzen, bzw ich merke wie ich mich zurück ziehe, ganz regelmäßig, ich lasse keinen an mich ran, alle regen mich auf - was wissen die schon von Problemen?!
Ich mag das selbst nicht an mir, aber vielleicht ist das normal?
Wenn ich diese "tiefs" habe, fahre ich zum Friedhof und höre Papaslied, dann gehts mir wieder besser.
Alltägliche Probleme anderer, ärgern mich, ich zeige es nicht, weil ich weiß wie ungerecht es ist, aber innerlich bin ich stinke sauer.
Das Verhältnis zu meinen Brüdern ist sehr viel besser geworden, wir hatten immer ein gutes Verhältnis, aber nun.. ich wüßte nicht was ich ohne sie tun würde, wir holen uns immer wieder gegenseitig hoch..
Mein großer Bruder (in 3 Tagen 22) hat nun den Ordnungswahn von Papa übernommen, mein kleiner (in 16 Tagen 18) hilft Mama im Garten und ich.. mmh das weiß ich gar nicht.
Meine Tante meinte, sie müsse mich immer angucken weil ich genau dieselben Gestiken wie ihr Bruder hätte - also mein Papa. Sowas ärgert mich auch, es freut mich aber.. Ach ich weiß auch nicht.
Das Jahr jetzt, ich kann es gar nicht beschreiben, es ist so viel passiert und irgendwie nichts, ich erwische mich bei jeder Klausur dabei, wie ich irgendwie das Thema Tod, Arbeitslosigkeit, Krankheit, Halbwaise(nrente) einbringe, in wirklich jede Klausur.
Mein Zeugnis ist schlecht. Dabei war es mein Ziel ein gutes Abi zu machen um Informatikerin zu werden - wie Papa - mit ihm - ohne ihn will ich es nicht mehr. Aber bei allem was ich tue, frage ich mich "was würde Papa nun sagen", dadurch fällt einem überhaupt erst auf, wie wichtig die Meinung für einen war, das war mir vorher nie bewußt.
Die Schule ist für mich eh zum Herror geworden, ich weiß das viele immer denken "die bei der, der Vater gestorben ist" nicht wissen wie sie mit mir umgehen sollen, die Lehrer... Wie es mich ankotzt.
Ich vermisse es mit Papa und unserem Hund spazieren zu gehen, der auch immer älter wird (14) und irgendwie das letzte "Papa" ist. Unser Kater ist genau einen Monat nach Papa gestorben, mit einem Jahr - er war Papas Geburtstagsgeschenk, vom Jahr davor, damit er nicht immer alleine ist...
Ich vermisse sein freches Grinsen, seine Lache, sein "Haargedreh" er konnte nicht an mir vorbeigehen ohne mein Haar an einem Finger aufzuwickeln. Ich vermisse sogar sein Gemecker, die Blumen die er mir gekauft hat, weil er dann doch ein schlechtes Gewissen hatte, immer Alpenveilchen, ich habe sie noch und sie blühen , ich vermisse sein ungeniessbares Essen - er konnte wirklich nicht kochen, war aber immer stolz "ist sogar vegetarisch", sein "ich hab den Staubsauger in dein Zimmer gestellt" oder seine Briefe aus der Kur, sein morgendliches Rollo hochziehen, wenn man Nachts spät nachhause kam, aber die Blumen brauchen ja Licht, ich hätte jedes mal schreien können und nun vermisse ich es, seine kleinen Späße --> Vogelhirse "du bist ja nun ein Körnerfresse", sein lustig machen über Mama, wenn sie unserer Meinung nach spinnte, die Abende bei meiner Oma, sein Drücken, das Einkaufen - es sprang immer was für uns raus... Eigentlich alles.

Und ich habe Angst, Papa hatte einen Tag vor mir Geburtstag, wir sind beide Waage und hatten bis jetzt alles gleich, ständiges Nasenbluten, eigentlich immer gesund, wirklich immer, ich habe angst das es bei mir auch so wird. Gesund und dann diese Krankheit. Ich könnte nicht kämpfen.

Ich glaube Mama würde sogar mit uns reden, aber meistens fängt sie dann an zu weinen, was es einen nicht gerade leichter macht. Die Arbeit in der Praxis tut ihr - meiner Meinung nach - nicht gut. Jeden Mittwoch erzählt sie von den Patienten und man merkt wie nah es ihr geht, meistens fängt sie dann auch an zu weinen und meckert rum. Es ist wirklich so jeden Mittwoch machen wir alles falsch. Sie arbeitet nur neben ihrer eigentlich arbeit (Behindertenlehrerin) dort, sie wertet die statistiken aus, von Testpatienten und meint vieles würde nicht ordentlich genug geführt werden...

Ich könnte ewig schreiben, aber nun hol ich erstmal Luft.
Danke.
Und Petra, wie geht es dir denn jetzt?
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