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Alt 15.12.2006, 14:36
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anni_s anni_s ist offline
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Standard AW: Du fehlst mir, und ich möchte von Dir erzählen

liebe mom,
du fehlst mir unglaublich. 18 1/2 jahre meines lebens hast du mich begleitet und du hattest es nicht immer einfach mit mir. mit 14/15 war ich oft genervt von dir, das tut mir unglaublich leid. du hast mir so viel liebe gegeben und ich bin damit nicht klar gekommen. dass ich mit 15 ein jahr nach kanada gegangen bin, war die beste entscheidung meines lebens. ich habe gemerkt, wie viel mir an dir liegt und in den letzten 2 jahren, seit ich wiedergekommen bin, sind wir die besten freundinnen geworden. als dad uns erzählt hat, dass du krebs hast, fiel ich aus allen wolken, eine welt war zusammen gebrochen. sowas passiert doch nur den anderen, aber doch nicht mir! dad hat an dem tag blumen gekauft, osterglocken, und sie überall in der wohnung verteilt. mir hat er auch eine ins zimmer gestellt. in die wohnung, die du nie gesund erleben konntest. wir zogen um und du wurdest krank, hast viele monate im krankenhaus verbracht, dabei hast du dich so auf den umzug gefreut! fast 3 monate haben wir verschenkt, weil du die chemo nicht richtig vertragen hast, bis du die richtigen medikamente bekommen konntest. danach ging es dir wieder richtig gut, wir haben alle wieder angefangen zu hoffen. die chemo hat aber nicht angeschlagen, die nächste nicht und die danach auch nicht. uns war klar, dass es zuende geht. erst hatte dad mir erzählt, dass du wohl kein jahr mehr leben wirst. das war im sommer ... kurz vor meinem urlaub habe ich dann erfahren, dass wir weihnachten nichtmehr zusammen erleben werden. dann ging es rapide bergab, aber du hast dich nie beklagt. du hast menschen, die deinetwegen geweint haben, mut gemacht, hast sie getröstet. die beiden letzten wochen im krankenhaus war immer jemand bei dir, dad hat bei dir geschlafen, obwohl ich davon ausgehe, dass er die ganze nacht aufgepasst hat. er hat sich für dich aufgeopfert, nachts kaum geschlafen und den ganzen tag gearbeitet. ich saß stundenlang an deinem bett, du hast geschlafen, ich hatte die füße unter deiner bettdecke und du hast sie im schlaf festgehalten. ich bewundere deine kraft, du hast mit uns und dem pastor deine beerdigung geplant und sie war genau so schön wie du es dir vorgestellt hast. lena hat gesehen, wir du zwischendurch vorbei geschaut hast - ein sonnenstrahl durch das fenster, der ab und zu die reihen auf und ab wanderte und dann wieder verschwand. nun ist dein sohn - mein bruder - auch ausgezogen und dad und ich wohnen alleine in der riesigen wohnung. wir kommen einigermaßen zurecht, aber vor weihnachten graut uns beiden - das spüre ich, obwohl wir nicht darüber reden. wenn ich dich zu sehr vermisse, lese ich den langen brief mit den hoffnungen und wünschen, den du uns vor deinem tod geschrieben hast. ich bin dir unendlich dankbar für diesen brief. er macht mich zwar traurig, aber in diesen momenten bin ich dir sehr nah. murmi, ich habe von dir geträumt, und als ich aufgewacht bin, hatte ich immer noch deinen geruch in der nase. ich liebe dich unendlich und hoffe, dich irgendwann wieder zu sehen.
alles liebe,
deine dich immer liebende tochter
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