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Alt 21.04.2003, 22:32
Gast
 
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Standard Warum wird die Trauer nicht weniger?

Hallo,
vielen, vielen Dank für Eure lieben Mails, es ist nach den letzten Wochen wirklich schön, daß es hier so viele gibt, die mich doch verstehen. Ich komme gerade vom Osterbesuch bei meinen Grosseltern wieder (die einzigen Verwandten, die ich noch habe) und bin froh, wieder zuhause zu sein. Egal, was ich sage, oder wie ich meine Ma verteidige, immer habe ich das Gefühl, meine Oma gibt meiner Mutter die Schuld an ihrer Krankheit. Und am liebsten würde ich ihr ins Gesicht sagen, daß ich ihre Einstellung zum Kotzen finde, aber irgendwie tut sie mir dann auch schon wieder leid. Weil ihr Sohn, mein Vater, sehr früh gestorben ist und weil ihre fünf Brüder in den letzten acht Jahren gestorben sind und mein Opa ein Alkoholproblem hat...
Trotzdem, es ist schwierig, nicht vor Wut zu platzen, denn die Vorwürfe, die sie meiner Ma wegen der Raucherei gemacht haben, habe ich ja nicht vergessen. Das hat dazu beigetragen, daß sich die Bande zwischen meiner Mutter und mir in den acht Monaten ihrer Krankheit immer mehr verstärkt hatte und manche Dinge habe ich auch aus Trotz andern gegenüber getan. Hauptsache, meiner Ma ging es gut! Jetzt, wo sie nicht mehr da ist, ist das Thema Krebs für alle andern schon wieder kein Thema mehr. Und wenn ich dann von neuen Erkenntnissen aus der Molekularbiologie und deren Anwendung als Krebstherapie rede, fragen sie mich, warum mich das denn noch interessiert, Mama könnte ich doch damit nicht mehr helfen. Ich solle mich endlich lösen, Mama ihren Frieden lassen...!?!? Aber irgendwie ist die ganze Sache im letzten Jahr ein Teil meines Lebens geworden, wieso geben die Menschen, die doch gar nicht wirklich mitbekommen haben, wie es meiner Ma ging, mir jetzt das Gefühl, auf falsche Art und Weise damit umzugehen? Was kann man denn beim Trauern falsch machen? Bin ich mit 26 schon zu alt für solche Sachen, wie den Lieblingspulli von meiner Mutter aufzubewahren oder Parfum weiter zu benutzen, weil es so nach meiner Mutter riecht? Ich will mich noch nicht von meiner Mutter "lösen", sie fehlt mir so sehr! Wie seid Ihr denn damit umgegangen? Ich hatte bis jetzt kaum Zeit, mich mit den ganzen Dingen, die passiert sind, auseinanderzusetzen, die Wohnungsauflösung und der ganze bürokratische Kram haben das bis jetzt verhindert. Aber seit ein paar Tagen kommen die ganzen Bilder in mir hoch, und ich weiss nicht, mit wem ich darüber reden soll. Also behalte ich lieber alles für mich und spiele nach aussen hin die Starke, was anderes will anscheinend auch keiner sehen.
Viele liebe Grüsse an Euch alle,
Sandy
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