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Alt 09.05.2003, 10:04
Gast
 
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Standard schlimme gedanken

Mörgelchen Ihr Lieben,

na, Du ICH?
Es ist schwierig, Dir ein paar Gedankensätze zur Anregung zu geben, weil Du jedesmal ein "Aber" dazu findest, hm-hm. Das ist nicht als Vorwurf gemeint, denn ich bin genau so, wenn's zum Beispiel um meine eigene Schwester geht.
Oh, ich könnte da bei meiner Schwester tausende "Aber's" finden, und diese "Aber's" sind immer alle gut begründet, weil sie aus meiner Verletzung von ihr stammen, aus meiner Wut.

Angenommen, ich frage Dich, liebe ICH, wie Du mir raten könntest, was ich gegen die ewige IGNORANZ meiner Schwester tun könnte, hm? (Ist eine sehr schwierige Frage, und auch verflixt schwer zu beantworten.)
Du könntest mir da jedoch vielleicht mehrere Ideen nennen, was ich da tun könnte. Doch ich hätte zur Antwort garantiert jedesmal ein "Aber" parat, denn Du könntest mir NOCH so viele Ideen bringen, es würde - in Wahrheit - von mir "abgeblockt", weil ich eben dauernd ein "Aber" finde.
Mir ist das schon bewusst, und ich habe lernen müssen, diese "Aber's" ein bisschen zu stoppen. Die "Aber's" machen mich selber nämlich ganz wirr im Kopf, und je mehr "Aber's" ich finde, um so ENTFERNTER erscheint mir eine Lösung zum Problem zu sein.
Weisst Du, wie ich meine?
Das Problem mit meiner Schwester habe ich zwar noch NICHT gelöst, aber ich bin im Augenblick in einer Phase der "Beobachtung". Das heisst, ich versuche, all meine Wut auf sie und all meine Verletzungen von ihr mal zur Seite zu schieben, weil mich diese Dinge zum möglichen Finden einer Lösung nämlich nur abhalten. Natürlich geht das nicht so hunderprozentig, aber es ist in letzter Zeit schon besser geworden. Sitze ich also heute meiner Schwester gegenüber, so versuche ich, sachlich zu beobachten, WAS sie tut, WIE sie jedesmal reagiert, und WIE sie das macht mit ihrer Ignoranz, hm?
Das ist eigentlich ganz spannend und interessant, denn da entdecke ich Dinge, die mir vorher gar nicht aufgefallen sind, eben WEIL ich mich sonst immer in ihrer Anwesenheit in meiner Verletzung "rum geräkelt" habe, und das gar nicht habe sehen können!
Plötzlich entdecke ich da kein "Aber" mehr, sondern ich "erkenne" nur noch, WIE sie ist, und WARUM sie das tut.
Da hört der Kopf auf nach "Aber's" zu suchen, weil es keine mehr gibt. Es ist der Anfang der Akzeptanz, dass meine Schwester eben so ist, wie sie ist.

Liebe ICH, auch ich habe nur EINE Schwester, eine leibliche Schwester, und selbst wenn ich noch so manche Freundin im Leben gehabt habe, die eine bessere Schwester für mich gewesen wäre, ... so ändert das nichts an der Tatsache, dass meine wahre Schwester eben immer meine wahre Schwester bleibt. Ich habe meine Schwester lieb, trotz ihrer "unmöglichen" Art, die sie drauf hat (und die ist also SEHR krass!). Ich habe sie lieb, nicht weil ich irgend welche guten Seiten an ihr finden muss, (die hat sie sicher auch, nur weiss ich - grins! - selber nicht, wo ich die finden soll!), sondern ich hab sie lieb, aus der simplen Tatsache, DASS sie eben meine Schwester ist!

Ich habe auch lange gedacht, ich sei das "schwarze Schaf" der Familie, hm-hm. Immer rebellisch und nie so, wie man es gerne gehabt hätte. Meine Schwester wurde bevorzugt, weil sie - das habe ich später erkannt - eben "einfacher" war als ich, nicht so schwierig und aufmüpfig wie ich. Doch das geschah von den Eltern nicht aus dem Grunde, weil sie sie lieber als mich hatten, sondern weil sie merkten, dass ich eigentlich die Stärkere war. - Für Eltern ist es einfacher, sich um die "braven" Kinder zu kümmern, die so "geformt" wurden, wie es den Eltern genau passt, und dann kann man diese "braven" Kinder auch noch viel mehr "beschützen" oder verhätscheln.
Die anderen Kinder, die eigentlich die stärkeren Kinder sind, von denen wird in der Regel auch mehr gefordert. Mehr "beschützen" oder "verhätscheln" ist da gar nicht so nötig.

Für das "starke" Kind kann es den Anschein haben, dass die "braven" Geschwister von den Eltern bevorzugt werden, oder mehr geliebt werden, doch das ist meist nur ein trügerischer Schein.
Was Deine Geschwister an "bravheit" haben, erkennt Deine Mutter vielleicht auch als eine Schwäche der Geschwister. Mit Schwäche - und das weiss sie - kann man jemandem in der Not nicht gross helfen. Darum "greift" sie auf Dich zurück. Ihre Erwartungshaltungen Dir gegenüber sind grösser.

Weisst Du, ich bin ja auch Krebspatientin, aber meine "brave" Schwester, die eigentlich die "schwächere" ist, ist gar nicht fähig, mir zu helfen oder mir beizustehen. ERWARTET habe ich das zwar AUCH von ihr, doch so lange sie sich nicht ändert oder nicht ändern will, NÜTZT mir ihre "Schwäche" nichts. Sie kann mir höchstens schaden. (Und das hat sie ja auch!)
Also "greife" ich nach jenen Menschen, die ein bisschen "stärker" sind, die mir beistehen wollen und auch können, oder es zumindest versuchen. Und sollte mich jemand fragen: "Warum holst Du Dir nicht Hilfe bei Deiner Schwester?", so kann ich sehr schnell darauf antworten: "Sie ist zu schwach dazu!"
Das kann eben falsch verstanden werden, man könnte meinen, ich will meine Schwester in Schutz nehmen. - Kannst Du's verstehen?

Ich bringe Dir hier Vergleiche, die ähnlich sind, und natürlich kannst Du jetzt wieder mit einem "Aber" kommen und sagen: "Ja aber bei meiner Mutter ist es anders, weil ...". Stimm's? Grins!

Ein Satz Deiner Mutter hat mich noch nachdenklich gemacht.
Als Du jenen Mann hattest, welcher Dich geschlagen hat, und Deine Mutter dann so ähnlich sagte: "Du hast ja gewusst, dass Du einen brutalen Mann heiratest!"
Dieser Satz tat Dir bestimmt weh, aber warum tat er Dir weh? Weil Dir Deine Mutter damit keine Lösung auf den Tisch legte?
Nun gut, dieser Satz Deiner Mutter war nicht besonders einfühlsam oder verständnisvoll, doch von der "Mutterseite" her hat sie mit diesem Satz bloss Deine "Stärke" angesprochen. Sie hat an der Türe Deines eigenen Verantwortungsgefühls geklopft, nichts weiteres.
Sie hätte auch genau so gut sagen können:
"Du musst wissen, was Du tust."
(Das sagte mir meine Mutter übrigens auch immer, wenn sie mir nicht mehr zu Helfen wusste. - Ist auch ein bisschen ein mütterlicher Gedankenanstoss, dass man als Tochter sein Leben eben selber im Griff haben muss. Aber böse ist das nicht gemeint.)

Tja, und da greift nun der eine Sohn zu Cannabis, der andere lässt sich scheiden, ... und DEIN Leben entgleitet Dir deswegen? Warum Deines?
Natürlich ist das eine Sorge, aber es ist das Leben Deiner Söhne. Wie schnell liegt da der Mutter-Satz auf den Lippen, den man zu den Söhnen sagen kann: "Du musst wissen, was Du tust!", nicht wahr? Wenn Du diesen Satz zu ihnen sagst, distanzierst Du Dich ein Stück von ihren Problemen. Es hilft Deinen Söhnen zwar nicht, aber Du appelierst damit an ihre Eigenverantwortung.
Damit will ich jetzt nicht sagen, dass Du ihnen diesen Satz SAGEN sollst, es soll nur ein Gedanke sein, gell? - Wenn Du nämlich diesen Gedanken verstehst, wirst Du auch den Satz Deiner eigenen Mutter verstehen.

Krebs in der Seele? Nö, wohl kaum. Die Seele kann gottseidank keinen Krebs kriegen.
Aber Du kannst Deine Seele überfordern, liebe ICH. Du kannst sie durch all die vielen Gedanken und "Aber's" und Sorgen so zumüllen, dass sie ganz müde davon wird und nur noch schlafen will. - Ich kenne dieses Gefühl. Es ist ein schreckliches Gefühl.
Wie man da raus kommt? Naja, man kann nur an sich selber arbeiten. Manchmal hilft es, wenn man liebe Menschen um sich hat. Man kann versuchen, die vielen Gedanken, die vielen "Aber's" und Sorgen öfters mal wegzulassen, indem man sich selber was Gutes tut, sich was Schönes gönnt. Erst fängt es mit kleinen Momenten an, wo man "abschaltet", und später werden es dann immer mehr dieser Momente. In jenen Momenten schafft man sich wieder Kraft und auch die Gedanken werden klarer. Und die Seele kann vor Freude hüpfen ...

Soweit bis später, ja?
Liebe Grüssli
von der "krassen" Brigitte
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