Einzelnen Beitrag anzeigen
  #13  
Alt 05.06.2007, 13:47
HeikeHH HeikeHH ist offline
Registrierter Benutzer
 
Registriert seit: 02.10.2006
Beiträge: 127
Standard AW: I miss you, Daddy... die Zeit lässt es nicht erträglicher werden!

Hallo Tay,

ich lese in deinen ganzen Texten die Riesenvorwürfe raus, die du dir machst, weil du dich in der Zeit der Krankheit deines Vaters zurückgezogen hast und nicht richtig Abschied nehmen konntest.

Ich war beim Tod meiner Oma sogar schon älter als du damals und habe mich genauso "verkehrt" verhalten. Sie lag im Krankenhaus, war nach einem Schlaganfall halbseitig gelähmt und wollte nur noch sterben. Ich konnte es damals auch nicht ertragen, sie so leiden zu sehen. Es hat mir das Herz gebrochen. Ich war immer nur kurz bei ihr im KH (der Rest unserer Familie immer) und habe im Alltag so gut es geht versucht zu verdrängen, dass sie so daliegt. Ich konnte ÜBERHAUPT nicht damit umgehen, sie so leiden zu sehen.

Noch bis heute (das ist jetzt ca. 12 Jahre her) mache ich mir deshalb Gedanken und auch Vorwürfe. Aber mittlerweile weiß ich, dass ich damals überfordert war. So wie du es warst- du warst sogar noch 6 sechs Jahre jünger, als ich damals!!

Du kommst bestimmt auch aus einer Familie, in der nie viel über Gefühle geredet wurde, oder? Es ist dann kein Wunder, wenn eine solche Situation eintritt, in der ein geliebter Mensch vor dem Tod steht und man NICHT damit umgehen kann. Ich hätte meine Oma in den Arm nehmen und mit ihr weinen sollen, aber nicht die Flucht ergreifen. Nur, in den Arm nehmen, weinen und über Gefühle und Ängste sprechen war in unserer Familie völlig unüblich, es war irgendwie tabu. Nicht, dass wir uns nicht geliebt haben, aber darüber ist nie gesprochen worden.

Jetzt weiß ich, dass ich deshalb damals gar nicht anders konnte - ich hatte es ja nie gelernt! Wie sollte ich es in einer solchen Extremsituation dann können? Du schreibst ja auch, dass du deinen Schmerz und Kummer immer mit dir allein ausgemacht hast.

Ich denke heute noch oft an meine Oma und dass ich sie damals im Stich gelassen habe, aber weil ich weiß, dass ich selbst aufgrund meiner fehlenden Erfahrung so blockiert war, weiß ich auch, dass meine Oma mir verzeihen würde. Ich habe gewusst und gespürt, dass ich mich falsch verhalte, konnte aber nicht raus aus meiner Haut.

Liebe Tay, du bist auf dem richtigen Weg, wenn du mit deinem Vater "sprichst" oder ihm Briefe schreibst. Aber du schreibst, dass du dich ritzen musst, um deinen Körper zu fühlen und das macht mir Sorgen. Du solltest dir Hilfe suchen, um auf deinem jetzt schon richtig eingeschlagen Weg weiterzukommen.

Ich schreibe dir das alles, um dir zu zeigen, dass du keine schlechte Tochter warst oder bist, sondern ein ganz normaler Mensch mit all seinen Schwächen -wie ich- der in einer schrecklich schweren Zeit keine Anleitung hatte, wie er sich verhalten soll. Dein Vater hat zu deiner Mutter gesagt, dass er dich sehr liebt. Ich bin sicher, dass er wusste, dass du das auch tust.

Alles Gute,
Heike
Mit Zitat antworten