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Alt 13.07.2007, 13:16
Andi Frenzel Andi Frenzel ist offline
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Standard AW: drüber sprechen

Hallo matze01,

die Erfahrungen mit dem Freundeskreis kenne ich so auch: Es trennt sich die Spreu vom Weizen. Einerseits war auch ich enttäuscht darüber, dass sich Freunde kaum noch gemeldet haben, von denen ich es erwartet hätte - andererseits aber haben sich welche regelmäßig nach mir erkundigt, von denen ich es eher nicht erwartet hätte. So gesehen war es eine interessante Erfahrung.

Trotz aller Enttäuschung denke ich aber auch, dass manche Menschen einfach enorme Probleme im Umgang mit solchen Erkrankungen haben - das mag eine Distanzierung kaum entschuldigen, aber eben doch erklären. Krebserkrankungen sind nach wie vor gesellschaftlich tabuisiert, es mag sich gebessert haben in den letzten Jahrzehnten und doch ist es noch ein Makel und ein Vorkommnis, das einen schlagartig aus der gesellschaftlichen Normalität herauskatapultiert.

Was deine Nachsorge angeht, so solltest du ihr gelassen entgegen sehen. Die Effektivität der PEB ist doch enorm. Und du hattest vorher "nur" Strahlentherapie. Anders wäre es, wenn es bereits die zweite Chemo gewesen wäre. Aber so...
Ich weiß, dass man sich diese Dinge immer wieder ins Bewusstsein zurückholen muss. Auch kenne ich die Einsamkeit, die die Angst mit sich bringt. Am größten war sie bei mir unmittelbar nach der Diagnose. Wenn man schlagartig aus der Welt der Gesunden herausgetreten ist und wie ein Schatten seiner selbst durch die Flure der molochartigen Krankenhäuser schleicht, auf einmal Teil des Medizinapparates, Opfer, Patient ist. Man ist allein mit sich und der Krankheit, eine völlig neue und radikale Form des Alleineseins.

Aber es macht einen auch stark, wenn man dann aus diesem Tal wieder herausgetreten ist. Die tiefsten Erfahrungen sind nun mal die, die man in existentiellen Situationen macht. Anders sind sie nicht zu haben als unter dem Einsatz des eigenen Leibes, wenn es wirklich mal ans Eingemachte geht. Dieser Blick in den Abgrund ist furchtbar, kann furchtbar sein, aber - so absurd das ist - er verschafft auch Einsichten und Erfahrungen von einer Tiefe, die den meisten vorenthalten bleiben und von denen man vermutlich ein Leben lang profitiert. Die Wertigkeiten verschieben sich, das Leben ist keine Selbstverständlichkeit mehr, Alltägliches gewinnt an Wert und das Glück wiegt schwerer.

Grüße von Andi
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