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Alt 18.06.2003, 06:16
Gast
 
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Standard Mutti - bitte geh noch nicht . . .

Meine liebe Mutti!

Heute war die erste Nacht, die nicht so grausig war.
Hat Dein Frieden nun begonnen?
Gestern abend warst Du noch in Deinem Bett, ich hab das ganz genau gespürt, hab Dir dann von Oma den Herrgottswinkel mit Blumen zu Dir ins Bett gebracht, hab gebetet - Du weißt, ich kanns nicht so gut - habs aber versucht.
Irgendwie war ich dann ruhiger, irgendwas war anders.
Liebe Mutti, ich war gestern bei Vati im Heim und sein neues Zimmer ist so schön - es hätte Dir gefallen - kannst Du es schon sehen?
Ich hab Euer Hochzeitsbild so aufgehängt, dass Vati es vom Bett aus schön sehen kann - Ihr seid so ein schönes Paar!
Vati hat auch eine Terrasse und von da aus sieht er genau aufs Biotop, es ist so beruhigend - das Wasser - dieses ständige Verändern der Oberfläche.
Die Schwester hat mir auch erlaubt, die Kerze anzuzünden, ich hab die von Dir mitgebracht und sie hat mir versprochen, die Kerze nicht auszumachen - sie ist für Dich von Vati und auch wenn er sich nicht äußern kann, nichts sagt, ich bin sicher er ist bei Dir und er lässt Dich gehen.
Du brauchst Dir keine Sorgen mehr um Vati zu machen, wir werden immer zu ihm fahren und ich hab gestern auch schon in der Kantine gesagt, was Vati gern hat und was ihm die Schwestern geben sollen.
Auch mit dem Friseur und das alles, ich hab das so besprochen wie Du es gewollt hast, ja und noch was Mutti, ich werde ihm den Fernseher bringen, gleich am Samstag.
Weißt Du, es ist zwar einer im Zimmer aber die Schwester meinte, sie haben vielzuwenige, und die Leute, die nicht so viel zahlen können, haben keinen Fernseher - ich weiß es ist Dir recht, wenn Vati den eigenen bekommt.
Wie oft habt ihr gemeinsam vor diesem Fernseher gesessen - Vati schaut für Dich mit, ok!
Weißt Du, es ist ganz eigenartig, bei vielen Dingen die jetzt zu entscheiden sind, bist Du bei mir und ich fühle ganz genau, wie Du es möchtest und meine Schwestern stehen da auch genauso dazu.
Es ist so schwer an Orten zu sein, wo Du immer mit warst, wo ich nie alleine hingefahren bin - jetzt auf einmal ohne Dich.
Heute weiß ich, dass Du mich nicht "ausgewählt" hast weil Du mich einfach nur brauchtest, Du hast mich schon auserwählt damals, als Vati krank wurde und weil Du gewusst hast, es ist an der Zeit, dass wir uns näher kommen sollen.
Du hast mir die Chance gegeben, Dich als meine Mutti ohne Verbitterung, ohne Groll auf irgendwas Vergangenes lieben zu lernen - auf unsere eigene Art und Weise.
Ich weiß, Du musstest gehen, ich weiß es Mutti und doch tut es so weh, Dich nicht mehr reden zu hören, Dir kein Essen mehr machen zu können, was ich nur ich so gut kann - ich danke Dir!
Du hast so friedlich eingeschlafen, Du wusstest, ich pass auf Dich auf, Du wusstest, egal was der Arzt sagt, Du gehst nicht ins Krankenhaus, Du hast mir so vertraut - ich danke Dir!
Meine Mutti, weißt Du, das Wissen, dass es Dir éndlich besser geht, das hilft und das ist gut, doch die Tränen und der Schmerz, dass Du nicht mehr da bist - ich hab nicht gedacht, dass es so weh tut, so weh . .
Weißt Du noch, wir haben geredet über Leben danach und Seele und und und . . . wir glauben daran und Du wirst sehen, Du kannst immer bei uns sein . . . schon bald!
Ich sitz wieder hier mit Deinem Nachthemd, es riecht nach Dir und ich geh mir heute noch eines holen, da kann ich mich so richtig reinkuscheln und Franz wird sich an meine neue Reizwäsche gewöhnen - jetzt lächelst Du, ich seh es . . .

Der Platz in meinem Herzen, der gleich neben Ali - der ist nun vergeben an Dich - solange es mich gibt . . .
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