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Alt 06.02.2008, 00:46
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Standard AW: Genesen? Ich weiß es nicht...

Hallo,

es ist ja nicht so, dass dem nicht so wäre. Allerdings fürchte ich, dass meine Freunde und Familie da genauso wenig mit anfangen können wie ich noch vor einem halben Jahr. Der Unterschied ist einfach: Krebs oder nicht, das verändert die Wahrnehmung von einem selbst und von der Umwelt. Nicht, dass ich es nicht trotzdem täte.

Grundsätzlich nehme ich solche Sachen aber eher hin, ohne dass sie mich lange belasten. Warum auch nicht? Es ist eine fiese Krankheit, sie ist hoffentlich nachhaltig geheilt und solange da nichts mehr nachkommt, muss ich mir auch keine Gedanken machen. Das ist zumindest meine "Alltagsdenke" und ich gehe vermutlich allen auf den Sack mit dieser Haltung, weil die "Gesunden", also die, die gottlob nie sowas durchgemacht haben, einfach nicht verstehen können, dass man so eine Geschichte durchweg positiv schlucken kann und danach wieder fit ist, also auch psychisch-emotional. Ich kenn' das, ich hätte es vorher auch keinem abgenommen, wenn der mit oder nach Krebs gut drauf gewesen wäre, aber bei mir war/ist es halt so.

Ich habe aus der Geschichte eine Lektion fürs Leben gezogen: NICHTS ist wirklich schlimm, egal wie deprimierend oder anstrengend, wenn man lebt und gesund ist – ein Wissen, das viele "kleine" Katastrophen leicht erträglich macht, leichter als vorher. Insofern muss ich die Krankheit fast unter "positive Erfahrungen" verbuchen, ich bin wesentlich ausgeglichener als vorher.

Klar, ich habe auch die Schattenseiten. Einschlafstörungen, weils im gesunden Ei mal wieder irgendwie zieht oder juckt und halt die Paranoia bei jedem Hodenkrebsrelevanten Zipperlein, dass die Krankheit doch wieder da sein könnte. Aber dann gehe ich einfach meinem Arzt auf den Keks, lasse mir Blut abnehmen und dann habe ich ja erstmal wieder die Sicherheit.

Wie dem auch sei: Ich gehe sehr offen mit der Geschichte um, auch deshalb, weil ich anderen, die daran erkranken, eine Stütze sein möchte. Deshalb auch die "flapsigen" Artikel in meinem Blog, die haben mir seinerzeit gut geholfen, den Mist von der Seele zu kratzen. Ganz nebenbei kriege ich regelmässig aus ganz Deutschland überaus positives Feedback auf die Stories, von Patienten wie Angehörigen.

Ich finde auch nicht, dass es schlimm ist, mit nur einem Ei rumzurennen. Meine Freundin ist erst während der Chemo mit mir zusammengekommen und die stört sich absolut nicht dran, also warum sollte es mich stören?

Insofern ist bei mir alles paletti, auch wenn die Krankheit, wenn auch medizinisch geheilt, psychisch sicherlich die ein oder andere Narbe hinterlassen hat. Sicher leide ich immer wieder unter unspezifischer "morgen könntest Du tot sein"-Angst, die ich vorher nicht hatte. Diese Angst kann aber, richtig angewandt, auch durchaus positive Effekte haben!

Mein letzter Post war recht negativ, weil mir alles auf den Zeiger gegangen ist. In solchen Momenten schlägt alles auf einen ein, zumal ich von Natur aus sowieso eine eher schattige Natur bin. Aber diese "melancholischen" Momente sind vielleicht unangenehm, aber nichts, wo man nicht rauskommt. Und zum Thema schattige Natur ist mir aufgefallen, dass diese vom "kleinen Alltagsleid" verursachten Momente tiefsten Schwarzsehens komplett entschärft sind. Alles ist irgendwie... sachlicher geworden. Ob das gut ist, kann ich im Moment noch nicht beurteilen, für einen, den ohnehin schon immer Depris quälen wie mich, hat sich nach der Krankheit vieles sehr positiv verzerrt und es gibt bei weitem nicht mehr so viel, worüber ich deprimiert wäre.

Gruß,
Christian

Geändert von iLive (06.02.2008 um 00:52 Uhr)
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