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Alt 31.07.2003, 17:35
Gast
 
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Standard Ich trau mich mal...

Hallo Jutta,

Dir und Deinem Mann wünsche ich viel Kraft und Stärke. Dein Mann hat recht, Ablenkung ist notwendig, man dreht sich sonst nur im Kreis und schafft nur unnötige Aufregung, die Deine Eltern jetzt auf keinen Fall brauchen können.
Einfach nur da sein, wie Tanja H. schreibt, aber auch für Deinen Vater, ist ganz wichtig.
Ich schreibe Dir einfach mal aus unserer Sicht, da ich glaube, in etwa im Alter Deiner Eltern zu sein.

Wir sind fast 38 Jahre verheiratet. Meine Frau kämpft gegen den Krebs seit 3 1/2 Jahren, seit einem halben Jahr sind beidseitig Lungenmetastasen festgestellt worden, von denen mittlerweile einige tischtennisballgroß sind.
Vor einer Woche hatte sie den 3. Zyklus Chemo und wird gleichzeitig mit Tamoxifen behandelt. Nach langem Suchen haben wir einen couragierten und ehrlichen Onkologen gefunden, der auch bei Bedarf außerhalb der Praxiszeiten Hilfe gibt. Als vor 2 Wochen nachts hohes Fieber auftrat, hat er sich sofort mit dem hiesigen Krankenhaus in Verbindung gesetzt und mit dem Internisten alles Wesentliche geregelt. ( Er hat seine Praxis in einer 20km entfernten Stadt).Gleichzeitig wid meine Frau durch einen sehr guten Alternativmediziner 2x die Woche behandelt, ua mit Mistel und Thymus. Leider ist die Praxis 60 km entfernt und wir fahren 2x die Woche dorthin. Der Onkologe und der Mediziner arbeiten zum Wohle meiner Frau Hand in Hand und stimmen sich des öfteren telefonisch ab. Besser geht es wirklich nicht und wir haben auch etliche Onkologen "verschlissen", die einfach aufgrund des Befundes sich nicht mehr einsetzen wollten. Im März wurde meiner Frau in einer Klinik von der entlassenden Ärztin gesagt, es wäre nichts mehr zu machen und sie solle sich "noch einige schöne Tage machen".
Mittlerweile hat meine Frau 5 Operationen, 29 Bestrahlungen und etliche Chemos hinter sich gebracht. Wir sind immer noch hoffnungsvoll!
Wir haben 2 Söhne. Einer wohnt am Ort mit seiner Freundin, der andere mit seiner Familie und unseren 2 Enkelkindern 20 km entfernt. Beide sind beruflich sehr stark engagiert, etwa alle 8-10 Tage kommen sie mal für 1 oder 2 Std. vorbei. Diese Besuche, aber auch die häufigen Telefonate, sind uns eine Riesenfreude und es macht mich glücklich, dann die leuchtenden Augen meiner Frau zu sehen und wir haben dann auch wieder Gesprächsstoff. Bei diesen Besuchen oder Telefonaten wird die Krankheit nur am Rande gestreift, man spricht über alles, was einen so bewegt. Besondere Erlebnisse sind immer die Anrufe unserer Enkelkinder, die sich nach ihrer Omi sehnen. Gestern kamen sie von einem 1wöchigen Urlaub mit ihren anderen Großeltern von Juist zurück und bei ihrem Anruf war die erste Frage:Wann können wir wieder bei euch übernachten?
Wenn wir sie dann bei uns haben herrscht nur noch Freude im Haus. Wir fühlen uns dann wie durch ein Wunder in die Kindheit versetzt. Nicht nur einmal bemerkte mein Sohn, ich wäre beim Toben der Lauteste und er würde jetzt wissen, woher seine Kinder das haben. Noch tagelang danach lachen wir über so manchen Spaß. Leider klappt es derzeitig nicht mit Ausflügen, aber wird auch wieder werden!
Liebe Jutta, einfach nur für Deine Eltern da sein, es gibt ihnen sicher viel, viel Kraft. Übertriebene Fürsorge weckt nur Ängste.
Gib Deinen Eltern das Gefühl, daß Du für Sie da bist, wenn es notwendig ist. Du kannst ihnen nicht alles abnehmen.
Aber auch Dein Vater braucht Zuspruch. Dieser Hilferuf, daß es so einsam in der Wohnung ist, ist mir sattsam bekannt. Schwer war es für mich, mitanzusehen, wie meine Frau am Tag vor der Operation die Mengen an Salzwasser zur Darmreinigung trinken mußte. Und dann der Abschied, die lange Nacht vor der Operation und das Warten auf Nachricht. Was geht einem alles im Kopf rum! Dann die Beklemmung, wenn man auf die Intensivstation kommt.
Wegen Darmverschluß mußte bei meiner Frau eine Notoperation vorgenommen werden. Sonnabend abend 22 Uhr: Der Chirurg sprach sehr offen mit mir, gab eine 50%ige Erfolgsprognose und sagte mir, ich solle nach Hause fahren, die Operation dauere 3 Stunden etwa und er würde mich anrufen. Über meinen Zustand in dieser Zeit möchte ich nicht sprechen, wäre jedoch vorher ein Anruf gekommen, ich glaube, ich hätte einen Herzinfarkt bekommen.
5 Minuten vor 1 Uhr kam der erlösende Anruf des Chirurgen, daß alles gut gegangen sei und wir uns am anderen morgen um 9,30 auf der Intensivstation treffen können. Mein Sohn begleitete mich dann.
Es ist einfach nur wichtig, für die Eltern da zu sein, ohne sein eigenes Leben zu vernachlässigen.
Schön ist es, daß Eure Familie wieder Frieden geschlossen hat.
Ich wünsche Deiner Familie und Deinen Eltern alles erdenklich Gute.
Viele herzliche Grüße
wolf.
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