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Alt 05.08.2003, 00:12
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Standard junge Frauen und der Tod der Mutter

Liebe Sandra,

schön, dass sich mal wieder jemand meldet. Ich glaube, die Hitze hat irgendwie alle etwas lahm gelegt, auch in vielen anderen Foren ist es ziemlich ruhig gewesen in den letzten Tagen.

Ich versuche mir vorzustellen, wie es mir wohl gehen wird, wenn Mamas erster Todestag ansteht. Es sind heute erst fünf Wochen, seit sie gestorben ist, deswegen fällt mir das natürlich schwer. Aber ich schätze, ein Gedanke, der an einem solchen Tag (bei mir und sicherlich bei vielen anderen ) auftauchen könnte ist der, dass man kaum glauben kann, dass man den geliebten Menschen nun schon ein ganzes Jahr nicht mehr bei sich hat.
Ich finde es überhaupt nicht schlimm, wenn du Phasen hast, in denen du einfach bloß traurig und lustlos bist. Es ist keine verschenkt Zeit; man kann nicht immer nur alles auskosten, das Leben genießen und keine Sekunde unglücklich sein, um keine wertvolle Zeit zu verschwenden. Die Trauer darf das Leben nur nicht bestimmen, das ist wichtig! Oder was meinst du?

Wie gesagt, heute vor genau 5 Wochen ist Mama gestorben.
(Das zu schreiben oder zu sagen finde ich immer noch merkwürdig – Begriffe wie gestorben, tot, Friedhof, Sarg und so was scheinen immer noch absurd im Zusammenhang mit meiner Mutter, als würde es einfach nicht passen. Gestern zum Beispiel habe ich mich mit meiner Tante unterhalten – Mamas Schwester – sie erzählte irgendwas und sagte „seit deine Mutter tot ist“. Da machte mein Herz richtig einen Hüpfer, begleitet von dem Gefühl sagen zu wollen „sag das nicht“. Aber warum soll man es nicht sagen; ich spreche ziemlich viel über das alles, vor allem mit meiner Schwester und meiner Tante, aber bestimmte Formulierungen sind doch recht eigenartig für mich. Dabei bin ich sicher niemand, der die Dinge nicht beim Namen nennen oder nicht akzeptieren kann. Seltsam)
Ich war heute auf dem Friedhof, Blumen gießen. An der Stelle, wo die Urne begraben wurde ist jetzt nur ein Fleck ohne Gras, deswegen hat mein Vater eine Schale mit Blumen draufgestellt, bis der Stein kommt. Da habe ich darüber nachgedacht, dass 5 Wochen eigentlich furchtbar kurz sind. Mir kommt es aber die meiste Zeit so vor, als sei das alles schon ewig her: die Trauerfeier, das organisieren, selbst die Nacht, als der Anruf kam. Und es kommt mir vor, als sei es ewig her, dass ich Mamas Stimme zuletzt gehört habe, seit ich sie berührt und in den Arm genommen habe. Die Zeit, als sie zu Hause im Bett lag und wir sie pflegten scheint noch weiter weg, fast, als würde ich mir das nur einbilden.

Und dann habe ich gestern ein Video gesehen, auf dem Mama zu sehen ist, kurz bevor sie krank wurde. Wie soll ich das beschreiben… ich habe gesehen, wie sie da jemanden anlächelte, auf eine bestimmte Weise. Und es war ein Stich ins Herz, dass ich nie wieder sehen werde, wie sie mich so anlächelt.
Dieser Film sie mir wieder so präsent gemacht. Meine Mama. Kein abstrakter Mensch. Sondern meine Mama, die mir an so vielen Stellen fehlen wird.
Ich kann es schwer beschreiben.

Ich möchte ganz kurz auch was zum Thema Zeichen sagen.
Ich warte nicht auf Zeichen. Ich habe auch noch nichts erlebt, was sich als solches deuten ließe. Ich glaube auch irgendwie nicht so recht, dass Mama mir je eins schicken wird. (keine Ahnung, wieso) Aber das mindert nicht im geringsten meine wachsende Überzeugung, dass es ein „Leben“ nach dem Tod gibt. Wenn ich keine Zeichen bekomme, wird es einen guten Grund dafür geben. Ich vertraue da völlig auf meine Mutter, dass sie weiß, was gut und richtig für mich ist. Und falls es ihr einfach nicht MÖGLICH ist, wird auch das einen Grund haben.

Liebe Sandra, du hast völlig recht: wenn du etwas als Zeichen deutest, und es macht dich glücklich… was will man mehr? Das ist nichts, was man jemandem erklären oder beweisen muss, wichtig ist allein, was du darüber denkst.
Ich glaube auch nicht recht, dass man sich Zeichen meist nur einbildet. Ich glaube, ich habe es schon mal geschrieben: wenn man es für sich fühlt, dann ist es auch so. Das merkt dann sicher jeder für sich.

Ach ja, Geburtstag habe ich am 4. September. Es ist schon alles klar, meine Tante hat von sich aus, bevor ich überhaupt das Thema anschneiden konnte gesagt, dass sie dann einen Kuchen backt. Meine Schwester mit Sohn hat auch schon gesagt, dass sie kommt.
Ich habe noch nie solange im Voraus an meinen Geburtstag gedacht. Aber dieses Mal ist es mir eben furchtbar wichtig, dass die Familie da ist. Wenn Mama schon nicht da sein kann, will ich wenigstens die Menschen um mich haben, die nun meine Familie sind – eben wir „Übriggebliebenen“, die versuchen, eine verdammt große Lücke zu überbrücken.

Wenn ich jetzt so schreibe merke ich, dass Mama mir im Moment wieder total fern ist. Das geht mir komischerweise immer so: je mehr und je länger ich von ihr spreche und von der Zeit, als sie so krank war, desto abstrakter wird das ganze für mich, und desto weiter rückt sie von mir weg. Dabei müsste es doch eigentlich genau umgekehrt sein, oder?

Uff, es ist zwar schon nach Mitternacht, aber wenn ich jetzt nicht noch kurz dusche, schmelze ich gleich vor dem Computer.
Liebe Sandra, du musst die Stellung keinesfalls alleine halten, ich bin auch erst im September ein Woche weg. Jetzt wünsch ich dir aber erstmal ein gute Nacht und frohes Schwitzen! ;-)
Dicke Umärmelung,

Katrin
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