Thema: Leidensweg
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Alt 28.04.2008, 15:26
Annika0211 Annika0211 ist offline
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Standard AW: Leidensweg

Liebe Sarah.
Ich umarme dich tausendmal . Es tut mir unsagbar leid, dass auch dein Papa diesen Weg so bald gehen muss.
Du bist sehr jung und obwohl es kein „passendes“ Alter für das richtige Reagieren und keine „weise“ Sichtweise zu diesen Dingen gibt, ist es schön, dass du jetzt hier im Forum bist, wo du auf viele Menschen triffst, die dir ihre Erfahrungen berichten können.

Ich zähle mich dazu, wenn ich dir sage, dass auch mein heißgeliebter Papi Silvester nach 4 Tagen im Hospiz verstarb. Er war zum Ende hin zu schwach zum Sprechen, konnte nicht Abhusten, wollte aber auf seine parenterale Ernährung nicht verzichten.
Auch Papas Herz und sein Geist waren bis zum Antritt seiner Reise noch absolut da – er hatte auch ein starkes Herz. Sein Körper war geschwächt von der schweren Krankheit, die sich langsam durch seinen Körper fraß und niemand konnte was tun.
Im Hospiz hat man sich toll gekümmert – auch um uns. Und obwohl ich niemals zuvor mit dem Tod konfrontiert wurde, habe ich mich behütet gefühlt. Meine Sorgen waren weg, weil ich ihn dort gut aufgehoben wusste.
Ich habe ihm jede Stunde gezeigt, wie sehr ich ihn liebe. Er hat fast nur noch geschlafen und ich hab ihn gestreichelt, mit ihm gesprochen, ihm die Beine mit kaltem Wasser gekühlt, seine Hände eingecremt und mit ihm gesprochen... ich bin sooooo unsagbar dankbar für diese Erfahrung. Ich war bei seinem letzten Atemzug nicht dabei – mein großer Bruder war es. Aber ich habe vorher alles gegeben, was in meiner Macht stand, habe meine ganze Kraft aufgewendet, um für ihn da zu sein, ihm zu helfen (auch zu Hause schon). Ich weiß nicht, wie es mir gehen würde, wenn ich immerzu das Bild seines letzten Atemzuges vor Augen gehabt hätte... Ich weiß es nicht...
Teilweise bin ich dankbar, dass ich es nicht erleben musste – andererseits glaube ich auch, dass mein Papa es nicht unbedingt wollte, dass ALLE von der Familie dabei sind. Nur sein „Großer“ sollte dabei sein... wir kamen 5 Minuten zu spät...
Ich bin der Überzeugung, dass ein „Gast“ seinen Reisebeginn beeinflussen kann. Viele möchten gehen, wenn sie alleine sind – vielleicht möchten Sie sich keiner Blöße hingeben vor ihren Liebsten, vielleicht möchten Sie ihren Liebsten keinen letzten sterbenden Eindruck geben. Viele möchten aber auch erst dann gehen, wenn die ganze Familie komplett da ist.

Wir haben unserem Papa gesagt, dass er gehen darf, dass alles OK ist – er hat von uns das „OK“ für seinen Reisebeginn bekommen. Nach 6 Tagen ist er aufgebrochen auf seine letzte große Reise hinter den Horizont.
Und ich bin mir sicher, die ganze Familie hat ihm ein tolles Gefühl gegeben, wie immer, wir haben ihm den Grund gezeigt, worauf er immer stolz war, wir waren jede Stunde für ihn da, wir haben unsere Platz in seinem Herzen mit Liebe gefüllt und wollten nicht mehr, dass er noch länger leiden muss. Sein schmerzlicher Weg sollte bald für ihn zu Ende sein. Und er hat es verstanden...

Du musst es für dich selbst entscheiden, ob du einen Versuch startest, deinen Papa zu sehen und ihn begleiten zu dürfen. Ist es allerdings sein ausdrücklichster Wunsch, solltest du ihn respektieren.
Vielleicht kann er nicht gehen, wenn er weiß, dass er dir seinen sterbenden Anblick „antut“...

Ich schicke dir ganz viel Kraft und für deinen Papa einen schmerzfreien Weg zu einer wunderschönen Reise, die Reise hinter den Horizont...
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Alles Liebe.
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Papa, für immer in meinem Herzen - 31.12.2007
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