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Alt 03.08.2008, 12:23
Annika0211 Annika0211 ist offline
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Registriert seit: 06.02.2008
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Standard AW: Mein geliebter Vater...

Liebe Regina.
Auch meiner Mama geht es so, dass die Abende einsam für sie sind.
Sie schläft zwar immer auf der Couch vor dem TV ein, aber es war immer so, dass sie, wenn sie aufwachte, den Papa sah, der neben ihr auf dem Sofa lag.
Sie hat sich schon dran gewöhnt, dass sie nun "ihr" Programm machen muss.
Meine Mama ist 78. Sie macht das echt ganz toll!
Natürlich bin ich normalerweise jeden Tag da - aber ich nehme mir auch mal eine Auszeit, weil ich die brauche und sie auch mal Termine oder Treffen hat.
Da freue ich mich über meine gewonnene Zeit und wir haben beim nächsten Mal anständig was zu erzählen.

Als mein Papa starb, kümmerte ich mich 3 Tage später um alle Formalitäten.
Ich habe da auch NULL Ahnung gehabt. Obwohl ich 3 ältere Brüder und eine ältere Schwester habe, war ich diejenige, die täglich dabei war und somit war es irgendwie meine Pflicht, mich mit den nötigen Formalitäten auseinander zu setzen.
In Papas Unterlagen haben wir eine Liste entdeckt, was im Sterbefall zu tun ist. Diese Liste gibt es auch im Internet. Nach dieser Liste bin ich zwar nicht gegangen, aber ich habe einfach überall angerufen und Papas Tod vermeldet. Da teilte man mir mit, wenn man noch Unterlagen bräuchte (Sterbeurkunde) und ein kurzes Schreiben etc.
Ich habe alles in einem Ordner gesammelt und dokumentiert, damit jeder Schritt nachvollziehbar war. Als es um das Haus ging, das auf beide Elternteile eingetragen war, hat Mama die Gänge zum Ortsgericht, Amtsgericht etc. alleine gemacht. Ich habe sie quasi etwas gezwungen, weil ich ja arbeiten musste. Sie hat das auch geschafft, hatte zwar große Angst, war sehr aufgeregt, aber sie sagte, dass alle Leute, denen sie auf den Ämtern begegnete, sehr, sehr freundlich und hilfsbereit waren.
Sie ging dann auch alleine zur Krankenkasse, wenn was zu regeln war.
Ich muss sagen, dass ich selbst über mich erstaunt war, dass alles geschafft zu haben. Nebenbei haben wir noch Papas Auto verkauft.
Und diese ganzen Dinge haben mich richtig stark gemacht.
Diese Dinge haben mich von der Situation abgelenkt, mich mit Papas Tod auseinanader zu setzen und um ihn zu trauern im herkömmlichen Sinn.
Ich konnte mich nicht verkriechen, nicht alleine tagelang irgendwo abschotten, um meine Gefühle rauszulassen. Meine Nerven lagen allerdings blank.
Ich weiß nicht, ob das alles so gut war, aber ich fand, es hat mir sehr geholfen und das ist wohl das Wichtigste.
Daher kam meine Trauer auch erst 5 Monate später raus. Ich hatte eine stark emotionale Zeit für ein paar Wochen und habe viel geweint, viel mit Mama geredet und dann irgendwann gings wieder.
Jetzt geht es mir gut, meine Mama ist so aktiv als möglich und gestaltet sich ihre Zeit - sie braucht aber noch Zeit, um damit richtig klar zu kommen.
Das Alleine-sein macht ihr schon schwer zu schaffen.
Allerdings kann ich nicht ununterbrochen als Entertainer fungieren. Ich habe meine Arbeit, meinen Haushalt, meine Beziehung - das muss ich genauso pflegen. Aber ich beziehe sie auch sehr oft mit ein und manchmal muss ich schon fragen, ob sie überhaupt Zeit hat...

Ich will dir damit ein Beispiel aufzeigen, dass das Leben deiner Mama auch mit 73 weitergehen kann. Das ist halt eine Generation, wo sich die Frau normalerweise dem Mann untergeordnet hat, alles wurde gemeinsam gemacht, alles wurde geteilt - auch die Arbeit und die Organisation.
Dementsprechend stehen unsere Mütter jetzt hilflos vor Aktenordnern und Amts-Türen. Ein kleiner liebevoller Schupps in die richtige Richtung tut aber uns und auch ihnen sehr gut.
Mein Papa war leidenschaftlicher Koch und hat seit seiner Rente meine Mama fast aus der Küche verbannt . Er kümmerte sich um Geldsachen, Versicherungen - eben die ganze Bürokratie. Mama war für uns Kinder, das Haus, den Garten etc. zuständig. Typische Rollenverteilung.

Wenn deine Mama fit und gesund ist, sollte sie versuchen, sich Aktivitäten (Seniorentreff, Freunde, Bekannte, kleine Reisen/Touren) zu schaffen. Ein bischen habe ich meine Mama dazu gezwungen, weil ich das Gefühl hatte, sie hing zu sehr an mir. Das machen meine Nerven auf Dauer nicht mit und so gabs öfter eine Aussprache, wo ich mal alles auf den Tisch legen konnte und ihr gesagt habe, dass sie nicht die einzige ist, die trauert und nicht die einzige Witwe in ihrem Bekanntenkreis. Natürlich soll sie bitte alle Zeit der Welt haben, um um Papa trauern zu können, aber die Welt dreht sich weiter und sie ist gesund und fit und sollte noch so viel unternehmen, wie es geht.
Sie hat das auch eingesehen, will auch nicht, dass ich dabei irgendwie drauf gehe aus Aufopferung und mittlerweile läuft es schon echt gut.

Ich wünsche euch weiterhin viel Kraft, das neue Leben anzunehmen, damit deine Mama ihre Trauer ausleben, aber ihr neues Leben auch annehmen kann. Sie sollte sich ablenken können und es auch zulassen. Manchmal ist es dann einfach so, dass man nicht mehr darüber reden will und sich fast freut, mal was anderes quatschen zu können.

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Alles Liebe.
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Papa, für immer in meinem Herzen - 31.12.2007
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