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Alt 06.10.2003, 16:32
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Standard Tonsillenkarzinom

Liebe Forumsteilnehmer,
lieber Achim Görner,

nach langer Zeit will auch mich wieder einmal zu Wort melden, da ich die Meinungsäußerung von unserem lieben Harry in keinster Weise teile.

Doch zuerst eine ausführliche Schilderung meiner derzeitigen Situation:

Z.Zt habe ich persönlich erhebliche Probleme mit meinen Strahlungsnachwirkungen. (Meine letzte Bestrahlung war am12-12-02)
Nachdem sich im Juni d.J. mein Körper auf einmal gegen meine PEG-Ernährung sträubte und mir meine Futterbeutel überhaupt nicht mehr bekamen, war ich gezwungen mich vollständig oral zu ernähren. Zum Glück vertrage ich Milch und so ernährte ich mich in der ersten Zeit fast nur von Haferflockensuppe ohne Zucker (sehr vitminreich!) Nebenher liefen dann meine Experimente mit allen normalen Nahrungsmitteln, wobei ich am Anfang für 2 Bröckchen Toastbrot ohne Rinde, Größe 1x1 cm (weil weiter ging mein Kiefer nicht auf), mit etwas Margarine oder Quark ungelogen über eine Stunde benötigte, um sie kleingekaut und mit Milch vermischt hinunterschlucken zu können. Wer sich nun fragt, wieso dies so lange dauerte, dem sei gesagt, er solle sich nicht vorstellen, ich hätte dieses Bröckchen auf einmal in den Mund stecken können. - O nein, von diesem Quadratzentimeter Brot habe ich mindestens zweimal abgebissen! Und meine Kiefer schmerzten und der Schmerz trieb mir das Wasser in die Augen. Wie oft ich mir während dieser Zeit auf die Zunge oder in die Wange gebissen habe, habe ich wohlweislich nicht gezählt.
Jeden Morgen hieß es aufs Neue „Augen zu und durch“ obwohl ich am liebsten den Mund überhaupt nicht mehr aufgemacht hätte. Doch „Durchhalten“ heißt unser aller Parole und „Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen“ !

Mittlerweile bin ich nun ich nun nach über einem Jahr (OP und Anlage der PEG waren am 02-09-02) endlich meine PEG losgeworden und ernähre mich wieder „ganz normal“, wobei der Begriff des „Ganz-Normalen“ sehr differenziert zu betrachten ist.
Das Essen dauert immer noch sehr lange, erfolgt unter relativ hoher Konzentration verbunden mit einer sehr aufrechten Kopf- und Körperhaltung und macht noch relativ wenig Spaß. Die unteren Schneidezähne, dort wo die Kieferdurchtrennung erfolgte, sind im höchsten Maße druckempfindlich und können noch immer nicht richtig zubeißen. Die Kiefergelenke schmerzen bei jedem Bissen und wollen sich noch immer nicht weiter als 10 Spatel hoch öffnen. Und manche Nahrungsmittel wollen einfach noch nicht gegessen werden. Kartoffeln sind z.B. ein großes Handicap und wollen einfach nicht richtig rutschen. Auch Brot ist für mich nicht unbedingt leicht zu essen. Was hingegen hervorragend funktioniert sind Gemüse jeder Art, Puten- oder Hähnchenfleisch, gedünsteter Lachs u.a. zarter Fisch, Salate auch in Rohkostform. Radieschen oder Rhabarbar stimulierten z.B. hervorragend meine Speicheldrüsenproduktion.
Was ich überhaupt nicht gut essen kann sind süße Speisen. Der Zucker reizt meinen Rachen und meine Schleimhäute.

Der folgende Passus betrifft eigentlich nur die „Weiberseite“:
Da mein Hormonhaushalt noch keine Anstalten macht, den Betrieb einzustellen, machen mir die berüchtigten Tage vor den Tagen ziemliche Probleme. Mundtrockenheit, Schluckbeschwerden und Lymphschwellungen nehmen urplötzlich aus dem Nichts heraus zu, um dann wieder 2-3 Tage später abzuklingen. Haben wir vielleicht Frauen im Forum, die ähnliche Auswirkungen ihrer hormonellen Schwankungen beobachtet haben?
Das Essen rutscht an diesen Tagen ums Verrecken nicht runter und bleibt förmlich im Halse stecken.
Durch die strahlenbedingte Xerostomie, die zu dieser Zeit ebenfalls verstärkt auftritt, sind auch die Zähne hochsensibel und erschweren die Nahrungsaufnahme zusätzlich.
Am schlimmsten wirken sich alle Nebenwirkungen jedoch auf mein Sprechvermögen aus. Durch den offenen Rachen hat mein Sprechvermögen extremen Schaden erlitten und je trockener der Mund und je eingeschränkter der Kiefer umso schwieriger ist das Sprechen für mich – Kermit lässt grüßen!

Soviel zu meiner momentanen Lage.
Mein nächster Kontrollcheck beim Prof. steht in der nächsten Woche an und ich hoffe auf ein weiteres gutes Ergebnis für mich.
Vor ca. drei Wochen sagte mein Hausarzt in einem Gespräch über Statistik hinsichtlich unserer Krebsart folgendes zu mir :
„Ihre Operation ist nunmehr über ein Jahr her und Sie sitzen immer noch lebend vor mir. Gehen Sie davon aus, dass Sie gesund sind. Denn Ihr Krebs ist ein Killer und wenn Sie nicht gesund wären, wären Sie schon jetzt tot .“

Ihr seht mal wieder – es kann nur besser werden!



Mein Kommentar zu und für Achim:

Auch ich habe durch unzutreffende Diagnosestellung mehrerer Ärzte (1 x Allgem.-Arzt, 3 x HNO-Ärzte) sowie zweier Heilpraktiker seinerzeit fast das Zeitliche gesegnet und verdanke einzig meinen Schutzengeln und allen guten Göttern sowie einem weiteren, besser informierten oder weitergebildeten (?) HNO-Arzt, dass ich auch heute noch lebe und mich u.a. intensiv mit dieser Krankheit auseinandersetzen darf.

Gerade da ich selbst Betroffene bin und seit über einem Jahr bei Recherchen fast tagtäglich erfahre, wie wenig hilfreiche Informationen für mich / uns Patienten speziell zu dieser Form der Krebserkrankung und den daraus resultierenden Nachfolgeschäden existiere, bin ich außerordentlich dankbar für jede ausführliche Schilderung.
Wieso um alles in der Welt sollten derartige Informationen nur in Fachzeitschriften verbreitet werden???
(Im übrigen werden die Einnahme der Vitamine A, E und C, sowie auch die Verabreichung von Selen und Zink in der Onkologie befürwortet und jeder Betroffene, der sich mit seiner Krankheit auseinandersetzt und -gesetzt hat, wird mit Sicherheit auch um die Kontraindikationen Bescheid wissen.)

Meiner Meinung nach sollte jeder Betroffene, egal ob persönlich oder über Angehörige, so viele Informationen wie möglich in dieses Forum stellen. Mir hilft es nicht zum Gesundwerden, zu erfahren ob jemand im Urlaub war oder wann und wie lange jemand in der Reha gewesen ist. Diese Infos sind so hoch individuell, da jeder Krankheitsverlauf individueller Natur ist.
Wenn aber Alternativmethoden zur Anwendung kommen - von denen die überwiegende Mehrheit der Schulmediziner auch heute noch nichts wissen wollen - und wenn kompetente Ärzteteams über Wissen und/oder großes chirurgisches Können verfügen, ist dies für mich als Patient sehr interessant.
Ich denke, daß auch die kleinen Infobröckchen für jeden "neuen Forumsfinder" sehr hilfreich sein können.
Speziell zur "Aufbereitung seiner Unterlagen in leicht verdauliche Häppchen" kann auch ich persönlich nur raten. Auch meine Ärzte haben sie bisher immer mit "Kußhand" dankbar angenommen.

Einmal davon ausgehend, lieber Achim, daß Sie keinen Provisions- oder ähnlichen Vertrag mit welchen Firmen auch immer haben, würde mich persönlich noch interessieren, wie es ihrem Herrn Schwiegervater heute geht und wie er sich fühlt.
Haben die Bestrahlungen Folgen gehabt und wie geht er damit um?

Soviel für heute.
Euch allen im Forum ganz herzliche Grüße

Ursula
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