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Alt 19.10.2008, 14:28
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Kerstin22 Kerstin22 ist offline
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Registriert seit: 18.07.2006
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Standard AW: Krebs und Studium

Hallo ihr Lieben!
Hallo Christina, Christin, Marianne, Annika!
Ich hab mich lange nicht gemeldet. Erste Uni-Woche ist fast rum. War sehr mit Uni und anderen Kram beschäftigt. Ich habe es geschafft trotz 1/3 Uni einmal zum fortgeschrittenen Yoga und zu meinem Sport zu gehen. Gestern war ich noch im Berliner Kriminaltheater. Ich wollte ja eigentlich ohne Mundschutz in die Uni, aber in der Mathevorlseung habe ich mir sehr unwohl und bedroht gefühlt. Es war sehr stickig. Deswegen bin ich dann am Mittwoch doch mit Mundschutz hingegangen. Ist sowieso schnurz. Die Teilnehmer habe ich größtenteils vor zwei Jahren mit Glatze kennengelernt. Vielleicht werde ich aber weiterhin in mein kleines Erziehungswissenschaften-Seminar ohne gehen, weil es nur eine kleine Gruppe ist und ich die kleinen "Erstsemster" nicht schocken will. Ich will man gesund tun. Ich bin zuversichtlich, dass ich meine körperliche Situation mit meinen wenigen Kursen vereinen kann. Mein Oberarzt ist auch zufrieden mit mir. Nur meine T-Helferzellen könnten sich mal ein bisschen vermehren. Schwierig bei mir, wenn ich normal viele Kurse belegen würde, ist, dass ich so ein kleiner (oder großer) Perfektionist bin. Davon hält mich auch eine Krebserkrankung oder allogene Stammzelltransplantation nicht ab. Meine Ansprüche an mich selbst sind weiterhin hoch. Deswegen habe ich jetzt auch nur sehr wenig belegt, weil ich sonst meiner gesundlichen Situation nicht gerecht werden kann. So habe ich trotz guter Leistung in der Uni und im Leben allgemein noch Zeit zum Schlafen und ausruhen. Ich bin ja auch so bescheuert z.B. bei meinen Matheübungsblättern nicht die erforderlichen 60% sondern natürlich 100% anzustreben.
Als ich am Mittwoch nach meiner Vorlesung den Hörsaal verlies, waren da ganz viele Studenten draußen, die sich über meinen Mundschutz wunderten und sogar lachten. So schnell hatte ich leider keinen Spruch fertig. Mir war so nach etwas wie:" Nee, eine Stammzelltransplantation ist nicht lustig." Wer geht denn bitte freiwillig oder aus Scherz mit Mundschutz in eine Vorlesung? Ich jedenfalls nicht.
Für mein Stipendium musste ich ganz viele Unterlagen einreichen u.a. meine Regelstudienzeit, die ich natürlich sprengen werde. Irgendwie habe ich noch die Gedanken eines Gesunden. Ich habe immer das Gefühl mich für meine wenigen Kurse rechtfertigen zu müssen. Ich habe mich irgendwie so an die Situation gewöhnt, dass ich eine Ex-Krebskranke und stammzelltransplantierte Patientin bin, dass ich irgendwie vergesse, dass ich wohl absolut legitime Gründe habe mein Leben anders as ein gesunder Student zu gestalten. Bei Überschreitung der Regelstudienzeit kann man bei der Stiftung eine Verlängerung beantragen, wenn man echte Gründe hat, die z.B. nicht Zeitmangel aus z.B. ehrenamtlicher Tätigkeit sind. Irgendwie geht es mir nicht in meinen Kopf, dass eine Krebserkrankung, 18 Krankenhausbesuche, 14 Zyklen Chemos, 2 Reihen Bestrahlungen, eine autologe und besonders eine allogene Stammzelltransplantation und eine 100 %ige Behinderung mehr als gute Gründe sind für einen nicht ganz linearen Lebenslauf und ein längeres Studium. Vielleicht sollte ich mir mal klar machen, was sonst wohl ein guter Grund sein soll. Ich muss aufpassen, dass ich meine körperlichen Grenzen akzeptiere, mich nicht mit gesunden Studenten gleichsetze und mich nicht zu sehr unter Druck setze. Immerhin habe ich eine Doppelrolle als Student und Krebspatient. Manchmal kommt es mir echt so vor als wenn ich in zwei Parallelwelten lebe. Andere Studenten und andere Patienten haben in der Regel nicht die beiden Problemfelder, die ich gleichzeitig habe.
Ich weiß natürlich, dass es hier noch andere krebskranke Studenten gibt, aber die treffe ich ja nicht im Alltag. Ich finde es manchmal sehr schwer für mich einen individullen Weg zu finden, der beides unter einen Hut bekommt. Wer sagt einen wie man das macht?
Okay, meine Lieben genug philosophiert. Ich muss noch meinen Mathebogen abschreiben und dann sind meine Hausaufgaben für diese Woche erledigt.
Ich wünsche euch ein schönes Wochenende!
Kerstin
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Morbus Hodgkin, II B mit Riskofaktor, ED 4/06, 8x BEACOPP eskaliert,Bestrahlung, 1. Rezidiv 03/07, 2x Chemo mit DHAP, 20.06.07 SZT; Bestrahlung;Reha, 2. Rezidiv, 18.04.08 allogene SZT, 03.06.08 komplette Remission , 2019: Knoten im Brustkorb, 03/19 ED Peripherer Nerventumor, 6 Zyklen Chemo, Bestrahlung, OP, bestätigte Remission 01/20
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