Einzelnen Beitrag anzeigen
  #82  
Alt 30.10.2003, 08:29
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard ich habe schuld

Lieber Rollo,

du beschreibst mich in einer Art, die mir wohl tut. Danke.

Ich bin religiös erzogen worden, hatte dann während meiner
"Sturm- und Drangzeit" eine längere "religiöse Auszeit".
Ebenso erging es meiner Frau. Durch einen Freund aus der
Studentenzeit sind wir dann wieder in den "Schoß der Kirche"
zurückgekehrt.

Durch das Vorbild meiner Eltern, aber auch durch eigenes
Erleben (vor allem in der Zeit der Krankheit meiner Frau)
zeigte sich erneut, der KRAFTQUELL sprudelt: Ich (Wir) sind
nicht allein mit unseren Sorgen, wir können und dürfen sie
ansprechen. Wir dürfen Hilfe für den Tag erbitten.

Wir beide haben im Laufe des langen Ehelebens gelernt, offen
miteinander zu reden, Gefühle, Sorgen und Einschätzungen
auszutauschen. Wir hatten wunderbare, verständnisvolle, liebe
Freunde, denen wir uns auch mitteilen konnten, ohne wenn und
aber.

Wir hatten die Chance, gemeinsam den schweren Weg bis zum Schluß vorzubereiten. Ich mußte es lernen, loszulassen. Es war sehr, sehr schwer. Sie war es, die sich trotz ihrer nachlassenden Kräfte Gedanken um meine Zukunft (um mein Glück) machte.

Sie saß mir gegenüber (sie lebte) und machte sich Gedanken, daß
ich erneut glücklich werden möge. Es war für mich sehr schwer,
das zu akzeptieren, wo doch mein geliebter Partner mir
gegenüber saß.

Ganz kurze "Zeit" NACH ihrem Tod habe ich meine zweite Frau
kennengelernt, mit ihr bin ich seit letzten Herbst verheiratet.

Sie ist (war) mir in den schweren Monaten nach dem Tod meiner
ersten Frau ein wunderbarer Zuhörer und Begleiter für die sich
häufig wiederholenden Erzählungen meiner stark betrübten Seele.

Die zwei wichtigen Wegbegleiter: Die HÖHERE MACHT und der
gute Geist meiner ersten Frau, nahmen die GLEICHZEITIGE
Herausforderung an meine Seele wohlwollend (so hoffe ich es
wenigstens) zur Kenntnis: TRAUERARBEIT und EINÜBEN EINES
NEUEN GLÜCKS. Es war ein gewaltiger Spagat für mich.

Der Wunsch meiner ersten Frau war also nach kürzester Zeit in
Erfüllung gegangen. Das kann kein Zufall sein, auch das ist mir
wohl so bestimmt gewesen.

Ich habe mein (unser) Schicksal so aufgefaßt als das, was es ist: ein Geschenk, das sehr kostbar ist. Ich zeige dieses Geschenk, denjenigen, die es verstehen können, damit umzugehen.

Da in den letzten Beiträgen das jeweilige Alter ge"outet" wurde, trage ich meines auch bei: noch 3 Monate 56.

Rollo, Deine Fragen sind nun beantwortet. Da wir beide D. Bonhoeffer mögen, so können wir uns auch in die Geborgenheit der letzten Strophe seines wunderbaren Gedichts begeben.

Mit lieben Grüßen
Shalom
Mit Zitat antworten