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Alt 15.01.2009, 23:29
Lissi 2 Lissi 2 ist offline
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Standard AW: An alle Hinterbliebene...

Hallo @
nachdem ich nun hier immer still mit gelesen habe und mir lange nicht sicher war ob auch ich meine Erfahrungen hier schreiben sollte, nehme ich mal allen Mut zusammen und berichte:
Mein Mann bekam am 21.01.08 die Diagnose fortgeschrittener LK, nach fehlgeschlagener Chemo und Bestrahlung starb er am 19.09.08 nicht zuhause, wie er es sich anfänglich gewünscht hatte, sondern auf einer Palliativstation.
Am Freitag den 29.08. brachte ich meinen Mann abends als Notfall ins KH, seine Magensonde hatte sich entzündet und er hatte hohes Fieber. Dieses bekam man alles sehr schnell und gut in den Griff. Da er nun ja schon mal da war hat sein behandelnder Pneumologe es für richtig befunden gleich noch ein CT zumachen, man stellte fest das der Tumor dabei war auch die linke Lunge zu verschließen, ein Todesurteil. Am Freitag den 05.09. versuchte man noch durch eine starre Bronchoskopie etwas zuräumen, was aber fehlschlug da es zu starken Blutungen in der Lunge kam. Mein Mann hatte in einer sehr detaillierte Patientenverfügung für diesen Fall festgelegt wie man weiter verfahren sollte. Alle Ärzte haben sich ohne zögern daran gehalten, haben mich auch sofort in Kenntnis über die Lage versetzt und am 09.09. wurde mein Mann zum Sterben nach hause entlassen. Der eigentliche Todeskampf begann dann am Sonntag den 14.09. Ihr könnt mir glauben ich hätte für meinen Mann den Mond vom Himmel geholt wenn ich ihn damit hätte helfen können,nur ich konnte ihm so wenig helfen, konnte ihm die Angst nicht aus seinen Augen nehmen. Die Medizinische Versorgung klappte gut mit Hilfe unser Hausärztin, die wirklich zu jeder Tages und Nachtzeit für uns da war, die mir zeigte wie ich meinen Mann medizinisch versorgen konnte. Und trotzdem wurde es in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag so schlimm das nichts mehr ging. In seiner Patientenverfügung hatte mein Mann etliche Sachen ausgeschlossen unter anderem auch das man ihn so sediert das er nichts mehr mitbekommt, das wollte er auf keinen Fall. Wir beide haben in dieser Nacht viel darüber geredet wie wir vorgehen sollen und am Morgen stand fest das ich mich um ein Hospitzplatz oder ein Platz in der Palliativ kümmern sollte, sollten wir keinen bekommen würde mein Mann hier zuhause bleiben. Ein schwieriges Unterfangen, gerade hier auf dem Lande sind wir mit solchen Einrichtungen nicht gerade reich bestückt, habe alles im Umkreis von zweihundert km kontaktiert, nirgends was frei, dann am Nachmittag die Nachricht es ist ein Platz auf der Palliativstation in der nächsten Kreisstadt frei und wir könnten kommen wann wir wollten. Einen Krankentransport lehnte mein Mann ab, er wollte noch einmal mit mir zusammen Autofahren, wir haben beide im Auto bitterlich geweint, wussten wir doch beide, so zusammen gibt es kein Rückweg mehr. Um 18:00 kamen wir dort an, wurden sehr liebevoll und medizinisch professionell (man hatte sich aus dem anderen KH schon die Unterlagen faxen lassen, wusste über alles Bescheid) aufgenommen und ab 18:45 ging es meinem Mann sehr gut, er war so super Medikamentös eingestellt, so wie er es sich für diesen Fall gewünscht hatte, wach und aufnahmefähig, ohne Schmerzen, selbst die Atemnot war nicht mehr so schlimm. Am Freitag morgen war er fast schon wieder der "Alte" machte mit den Ärzten und den Schwestern Späßchen, wir waren uns so nahe ohne diese Angst die uns zu Hause beherrschte. Mittags würde er müde und wollte ein wenig schlafen, schickte mich nach Hause damit ich mich um die Hunde kümmere, ich sollte aber wie immer anrufen wenn ich zu Hause angekommen bin, das tat ich, mein Mann hörte sich müde an aber ansonsten ok und trotzdem war da etwas in seiner Stimme das mich veranlasste sofort wieder zu ihm hinzufahren. Er schlief als ich kam, wurde kurz vor halb drei wach und wollte unbedingt auf Toilette, kein leichtes Unterfangen mit dem ganzen Gedöns, er war über den Port und die PEG angeschlossen. Mit Hilfe einer Schwester schafften wir es ins Bad, er wusch sich noch die Hände, drehte sich um und in diesem Augenblick schoss ihm Blut und was weiß ich nicht alles aus dem Mund, der Tumor war explodiert. Kein schöner Anblick und auf sowas war ich auch nicht vorbereitet, hatte aber gar keine Zeit um panische Gefühle oder sonstwas zubekommen, wir brachten meinen Mann zum Bett zurück, er war bei vollen Bewusstsein, ich versuchte mir meine Angst nicht anmerken zulassen, er lächelte mehrmals, sagte das es ihm gut geht und schloss seine Augen um 14:44 für immer. Ich durfte da bleiben, ihn waschen und ankleiden, was für ihn sicher eine große Beruhigung gewesen wäre. Für mich war es der letzte Liebesdienst den ich noch verrichten konnte. Zu diesem Zeitpunkt war ich auch noch eigenartig gefasst, das Verstehen, der Zusammenbruch, kam erst viel später. Im nachhinein kann ich nur sagen das ich unendlich glücklich bin das es meinem Mann vergönnt war wenigstens die letzten 20 Stunden seines Lebens so entspannt, so friedlich zu verbringen. Ich hätte jede seiner Entscheidungen respektiert und mitgetragen, bin im nachhinein aber sehr froh das er sich für die Palliativstation entschieden hat, nicht weil ich sein Sterben hier zu hause nicht hätte begleiten und ertragen können, nein ich hätte ihm hier seine Angst nicht nehmen können und für mich wäre der Gedanke mein geliebter Mann ist mit dieser Angst vor dem ersticken ins Regenbogenland gegangen ein Alptraum.

Sorry das ich nun soviel erzählt habe und vielleicht kommt es auch gar nicht rüber was ich ausdrücken wollte, sollte vielleicht noch dazu sagen das mein Mann von Anfang an nichts über seine Diagnose wirklich wissen wollte, alles in meine Hände legte, die Kommunikation mit den Ärzten lief zum größten Teil über mich, ich erzählte ihm was die Untersuchungen ergaben, wir beide beratschlagten und dann entschied er was er wollte und was nicht. Für mich war immer klar das nie etwas gegen seinen Willen gemacht würde und ich war dafür da dieses Versprechen einzuhalten, genauso wie er es im umgekehrten Falle gemacht hätte. Wichtig war es für uns das wir uns darauf bedingungslos verlassen konnten, egal wohin der Weg führt, egal wie schmerzhaft es sein wird. Ich wünsche jeden Menschen in solch einer Situation einen Menschen an seiner Seite auf den er sich verlassen kann.

LG Lissi
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Wege entstehen dadurch,dass man sie geht.
Franz Kafka

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