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Alt 02.03.2009, 16:09
Thessa76 Thessa76 ist offline
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Standard AW: Meine Mama: nichts ist mehr wie es mal war. Und die Welt steht still.

Hallo und guten Nachmittag Ihr liebe, tollen, netten, traumhaften Schreiberlinge,

hier regnet es in Strömen und der Himmel ist grau. Heute ist meine Mami schon drei Wochen weit weg von mir und doch so nah im Herzen. Am Wochenende war ich zu Hause und habe zusammen mit meinen Schwestern den Kleiderschrank durchgeguckt. Hui, dachte ich erst vorher. Das wird heikel. Aber irgendwie war es das gar nicht.
Mein Freund hat sich der Küche angenommen und dort aussortiert, geputzt, geräumt, sortiert und wir im Schlafzimmer. Meine Mama wohnt ja in einer Mietwohnung und da müssen wir bis Ende April fertig mit allem sein um sie zu übergeben. Und da ich so weit weg bin, ist das, trotz der langen Zeit, noch irgendwie recht heftig viel.
Wir haben jedes Kleidungsstück in den Händen gehabt und mussten manchmal auch lachen. Meine Mama sammelt alles, schmeisst nichts weg. Wir haben Pullover von 1985 gefunden.
Obwohl wir uns vorher auch geschworen haben, nichts in den Altkleidercontainer zu geben: da ging es.
Ich habe viel mitgenommen, ziehe viel von ihr an. Das gibt mir total bekloppterweise noch mal mehr ein Gefühl von Nähe. Bei ihren Mützen, in denen die ganzen kurzen Haare hängen, die zum Schluss wieder ausgingen: damit schlafe ich. Das ist Mama. Ich will niemals wieder ein anderes Duschgel benutzen als das, was Mama nimmt und auch keine andere Bodylotion. Blöd, was?

Gestern haben wir die ersten Dankeskarten fertiggemacht, die Danksagung war auch am Samstag in der Zeitung, am Donnerstag bin ich wieder zu Hause und mache dann den Rest.

Gestern morgen bin ich früh aufgestanden und habe mich auf den Friedhof gesetzt, bestimmt eine halbe Stunde lang mit ihr erzählt. Früh deshalb, weil Mama fast auf dem Bürgersteig liegt, also ganz nah an der Friedhofsmauer. Wenn dann auf der anderen Seite jemand vorbeigeht, hört der mich 1:1 sprechen. Und ich wollte vermeiden, dass jemand mitbekommt, was ich ihr alles so erzähle.

Ich bin traurig, weil ich einsam bin. Weil sie mir so fehlt. Weil ich sie so sehr liebe und sie brauche. Weil sie meine zweite Hälfte ist. Und Lissi, Du hast recht: ich bin ihr unglaublich ähnlich. Am Samstag hatte ich ihre Mütze auf, da kam mein Papa rein und erschrak, weil er dachte, Mama steht da. Mit der Mütze bin ich zur Oma gefahren, die macht die Tür auf und sagt Mamas Namen, nicht meinen. Das ist eine riesengrosse Ehre und ein tolles Geschenk. Ich nehme es an und trage es sicher in meinem Herzen. Ich bin ein Stück Mama. Aber nicht so sehr, als dass es mich trösten kann. Im Gegenteil: es ist kalt und leer geworden in meinem Leben. Trotz meines Freundes, den ich abgöttisch liebe. Aber sie fehlt mir halt so sehr. Ich kann es gar nicht genau beschreiben.... ich bin nicht mehr ganz.

Und Lissi, Du schreibst so schön und immer so nett, Deine Worte habe ich mir 10 mal durchgelesen. Und irgendwie befolge ich alles, was ich von Dir aufsaugen kann: das Morrie-Buch hab ich gelesen, dann hab ich die Spuren im Sand CD bestellt und finde Lied Nummer 5 auch am schönsten, den Text von Celine hab ich sofort ergoogelt, damit es sich besser mitsingen lässt. Du tust hier sehr gut, nur lese ich Dich, wo auch immer, viel zu selten. Deine Spur, die Du hinterlässt, ist immer so warm und herzlich. Bei sowas geht mir das Herz ein bisschen auf.

Cindy, bei Dir hab ich auch immer mitgelesen, wir sind ja aus demselben Eck, Du aus BB ich aus S. Ich hoffe, Du hattest hier ein schönes Frühlingswochenende, was ein bisschen Licht und Sonne ins Innere schickt. Bei meinen Eltern zu Hause war es nass und grau. Das Wetter hier ist ein grosser Vorteil. Wie geht es Dir denn derweil?

Dani, Dich wollte ich immer nach Deinem Beruf fragen, habe das aber jetzt irgendwo erlesen und dachte mir das schon. Zum Morphium muss ich vielleicht wirklich nocheinmal was fragen. Ich bin im Moment ebenso wie bei Sanni , nicht telefontauglich, weil es mich wahnsinnig anstrengt. Aber ich würde gerne später, wenn ich kann, mal die Option annehmen, wenn sie denn noch steht. Die Nummern habe ich gespeichert.

Gabi-Diana: Dir alles, alles Liebe. Ich denke viel an Dich und an das, was bei Euch so passiert. So gerne wie ich denke: puh, krebsfrei, so leer ist es jetzt. Aber die Angst, die Du hast, die Ergebnisse, die kommen - das kann keiner abnehmen. Und ich würde es so gerne.

Sanni, ich hab Dein Foto gefunden, vor allem das 2-er Pack mit Dani: hübsche Damen seid Ihr. Und offensichtlich wohnt Ihr nicht jeweils am anderen Stadtende, oder?

Liebe Grüsse Euch allen, aus dem schwäbischen Regen.

Eure Thessa
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Meine Mutter, ED 03/08 Adenokarzinom nicht operabel; T4N3M0.
Chemokonzept: seit 03/08 Carboplatin/ Vinorelbine, Umstellung aufgrund von Versagen von Carboplatin auf Taxotere am 22.07.08. Letzte Chemo am 27.11.08 - nun watch and wait.
14.01.: Lunge fast tumorfrei, multiple Hirnmetastasen, 10 Ganzhirnbestrahlungen ab dem 22.01.
am 09.02.2009 in unseren Armen eingeschlafen
1946 - 2009
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