Einzelnen Beitrag anzeigen
  #102  
Alt 08.12.2003, 17:14
Gast
 
Beiträge: n/a
Standard ich habe schuld

Liebe Tatjana,
ich schreibe Dir erst heute, weil ich vorher einfach nicht fähig war. Ich musste den ersten Jahrestag des Todes meiner Frau verarbeiten und trotz Hilfe war es noch sehr schwer überhaupt einen Gedanken fest zu halten.
Das was Du hinter Dir hast, das war grausam. Das was Du noch vor Dir hast ist auch schlimm. Doch wenn du es zulässt, dann helfen wir Dir. Es ist leichter, wenn Du Deinen Schmerz mit uns teilst. Bei mir war es jedenfalls so. Am Anfang wollte ich mir nicht helfen lassen. Ich dachte das Leid ist für mich allein. Dann merkte ich die Ehrlichkeit die man mir entgegen brachte und ich konnte mich langsam, Zentimeter für Zentimeter, wieder ans Leben wagen. Ich möchte hier noch einmal ganz besonders Shalom danken. Er hat den Stoß gegeben den ich brauchte.
Mache Dir, Tatjana, nicht die Vorwürfe, Du hättest nicht genug getan. Du verstrickst Dich sonst genau wie ich in den Teufelskreis aus dem man so schlecht wieder heraus kommt. Mache nicht den gleichen Fehler. Es stimmt nicht, Du hast Deinem Mann geholfen so gut Du es konntest. Mehr war nicht möglich für Dich. Deine Tochter macht Dir auch bestimmt keine Vorwürfe. Es wird so sein wie Anja es Dir geschrieben hat. Sie ist zu jung um den Verlust einfach zu verkraften. Ich war sechs Jahre alt als meine Mutter starb. Die Erinnerung habe ich heute noch. Ich glaubte auch, alle haben meine Mutti sterben lassen weil sie krank war und nicht die anderen Leute anstecken sollte.
Es ist nicht nur so gesagt, Du musst auch für Deine Kinder da sein, Deine Kinder brauchen Dich. Du hast auch durch Deine Kinder die Möglichkeit Dich abzulenken. Nicht nur dem Schmerz nachhängen.
Wenn du magst, dann schreibe einfach hier weiter. Alles was Dich bedrückt und Dir Angst macht schreibe es hier rein. Ich werde Dir auf jeden Fall immer antworten. Auch wenn es mal etwas länger dauert, ich schreibe auf jeden Fall.
Ich wünsche Dir viel Kraft.

Rollo
Mit Zitat antworten