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Alt 05.04.2009, 17:59
Mexikomaus Mexikomaus ist offline
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Standard AW: Du fehlst mir, und ich möchte von Dir erzählen

Mein lieber kleiner Bär,

heute vor 3 Wochen bist Du für immer eingeschlafen. Ich habe Dich bis zur letzten Sekunde begleitet wie ich Dich auch vorher in Deinem Kampf gegen den Krebs begleitet habe.
Vor fast 1 1/2 Jahren fühltest Du Dich nicht richtig wohl - die Gewichtsabnahme hast Du mir verschwiegen - und gingst zum Arzt. Der nahm Deine Beschwerden ernst und schickte Dich zum CT. Aber nicht die Bauchspeicheldrüse war es, sondern die Lunge. Nach einer Untersuchungsserie stand es fest. Bronchial-CA, nicht kleinzellig, gute Prognose. Die zwei Metastasen im Gehirn wurden mit dem Gamma Knife bestrahlt. Es wurden 4 Chemo-Zyklen angesetzt. Deine Schleimhäute streikten, Du hattest keinen Geschmack mehr, fühltest Dich schlapp. Aber wie tapfer warst Du. Immer und immer wieder hast Du Dich aufgerappelt. Letztes Jahr um Ostern herum war dann die Operation. Auch hier gab Dir der Professor nach dem histologischen Befund eine gute Prognose. Die anschließende Reha hast Du hier in der Nähe gemacht. Ich bin jeden Abend gekommen. Am Wochende habe ich Dich nach Hause geholt. Dann folgte die erste Kontrolluntersuchung. Wieder eine Stelle im Gehirn, wieder Gamma Knife. Die restlichen Untersuchungen waren ohne Befund.
So gönnten wir uns endlich einen Urlaub an unserem geliebten Bodensee. Wir hatten die Räder mit, weil Du mit Deinen Chemogeschädigten Füßen nicht so gut laufen konntest. Wie habe ich gestaunt, als Du einen Berg hoch fuhrst, den ich schob. Wir hatten ein tolles Wetter, haben draußen gesessen und die Aussicht genossen. Du konntest wieder schmecken und warst glücklich - wir waren glücklich. Nach unserer Rückkehr ging es Dir schlechter: Temperatur, Schmerzen im Bein. Thrombose und ein Rückschlag. Es hatte sich wieder ein Tumor gebildet. Die erste Chemo in diesem Zyklus war eine Katastrophe: Du bist fast zusammengebrochen. Nächtelang habe ich recherchiert, bis wir uns zu einer Komplementär-Behandlung entschlossen hatten. Zu dem Arzt hattest Du - hatten wir - großes Vertrauen. Innerhalb kürzester Zeit hat er Dir Deine Lebensqualität zurückgegeben. Im September kam dann die erste Kontrolle mit dem Ergebnis: Der Tumor verhält sich ruhig. Du wolltest nach Badenweiler. Ich habe es organisiert. Im Oktober sind wir gefahren. Was waren wir glücklich. Du mußtest zwar häufiger stehenbleiben. Aber Du bist in der Therme geschwommen. Wenn ich Dich suchte, brauchte ich nur nach einem kahlen Kopf zu schauen. Wir waren uns sehr nah.
Im November begannen dann die Komplikationen. Wasser in der Lunge, Thrombose im Arm. Das alles hast Du mit einer ungeheuren Disziplin und Kraft über Dich ergehen lassen. Weihnachten konnten wir zu Hause sein. An unserem Hochzeitstag Ende Dezember hast Du alle Kräfte mobilisiert und bist mit mir ins Theater gegangen.
Dann im Januar wieder Wasser in der Lunge - diesmal Operation. Von diesem Eingriff hattest Du Dich noch nicht erholt, als Du einen Infekt in der Lunge bekamst. Dem nicht genug: Im Krankenhaus ging der Novo-Virus um. Du und ich waren dabei. Inzwischen hatte ich ein Sauerstoff-Gerät besorgt und andere Hilfsmittel. Du warst ein paar Tage zu Hause, als ich morgen wieder den Krankenwagen rufen mußte. Diesmal war es das Herz, es war Wasser im Gewebe. Am Mittwoch hat uns der Arzt gesagt, dass Du nach Hause kannst - in aller Vorsicht. Am Donnerstag hattest Du wieder einen Anfall. Jetzt hieß es: Du wirst ein leichter Pflegefall. Am Freitag hat mich der Arzt zur Seite genommen und mir gesagt: Er verläßt das Krankenhaus nicht mehr lebend. Ich durfte von da an bei Dir bleiben.

Mein Bärchen, wir haben uns relativ spät gefunden. Vielleicht war das der Grund, dass wir so aneinander gehangen haben. Die Zeit Deiner Erkrankung hat uns noch näher zusammengebracht. Die letzten Wochen war ich fast nur im Krankenhaus. Wenn ich da war, warst Du ganz ruhig. Ab Samstag abend hast Du nur geschlafen. Am Sonntag um 18:50 Uhr bist Du ganz ruhig an meiner Hand hinübergeschlafen.

Ich vermisse Dich unendlich und weiß eigentlich gar nicht, wie ich ohne Dich weiterleben soll. Ich funktioniere und regle alles - wie eine Maschine. Aus jeder Ecke im Haus, im Garten schaust Du mich an. Wenn ich an der Eisdiele vorbeikomme, sehe ich Dich am Tisch Dein Nuss-Eis löffeln. Wenn ich kann, flüchte ich. Am liebsten sind mir die Abende, dann weiß ich, dass ich bald ins Bett kann und vergessen.

Ich liebe Dich über den Tod hinaus, mein kleiner Bär. Das einzige, was mich aufrecht hält, ist der Gedanke, dass Du nicht mehr leiden mußt.

Ich liebe Dich!
Deine Angelika

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Günter *14.07.1942 - + 15.03.2009
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