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Alt 19.01.2004, 16:48
Gast
 
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Standard seit ca. zwei jahren ausnahmezustand

Hallo Sterntalerchen

eigentlich wollte ich heute Nacht schon darauf antworten. Hatte auch schon eine ganze Menge dazu geschrieben. Aber dann war der Text nicht dasm was ich Dir damit sagen wollte. Es ist schwierig in Worte zu fassen, damit man es nicht falsch auffasst.
Dazu sollte ich erklären, aus welcher Sicht ich das sehe. Und genau da hapert es schon. Ich bin Angehörige, aber auch selber betroffen und habe auch leider mehrfach Familienangehörige an Krebs verloren (Schwester , beide Eltern).
Ich kenne die Situation, wenn die Schwester, die Mutter so krank sind - und man daneben steht, und praktisch nichts machen kann. Zugucken - Dasein - und (mit) leiden, erstarren und pflegen.
Als Angehörige würde ich Dir sagen wollen - es ist so so wichtig, trotzdem ein eigenes Leben zu haben. Auch wenn es noch so schwer umzusetzen ist. Du und ihr alle könnt Euch nicht aufgeben, weil Dein Bruder so krank ist. Ich weiß, das es selber sehr, sehr schwer umzusetzen ist.
Ich bin seit 2 Jahren selber betroffen und hatte mittlerweile sogar schon zwei Rezidiverkrankungen. Ich weiß, das meine Geschwister auch Angst um mich haben, und gleichzeitig Angst um eine weitere Schwester, die ebenfalls von Krebs betroffen ist. Aber glücklicherweise seit 2 Jahren ohne weiteren negativen Befund. Manchesmal hatte ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich trotzdem lachen konnte - als meine erste Schwester damls so krank gewesen ist - aber ich wußte, wenn sie selber da gewesen wäre, würde sie mitlachen. Ich weinte gleichzeitig, weil ich solche Angst um sie hatte. Sie war damals auch erst 37 Jahre und als sie starb gerade mal 39 Jahre.Weißt du, was ich meinen Geschwistern heute sage ? Vor allen Dingen meinen zwar wenigen, aber dafür sehr guten Freunden? Leben - so lange wie es geht. Ich habe Grenzen - was ich machen kann. Aber ich freue mich darüber, wenn meine Brüder, meine guten Freunde mir sagen - das sie im Urlaub waren.. Das sie sich über Kleinigkeiten freuen können. Das sie ihre Arbeit haben, ihre Fortbildungen und Seminare machen.. Und auch ihre Familienplanungen im Auge behalten. Obwohl ich schon 10 fache Tante bin - und alle Nichten und Neffen praktisch groß sind.. Aber ein Bruder bastelt eben noch an der Familie. Nur deswegen kann ich überhaupt mal Hilfe von ihnen annehmen.

Sterntalerchen, meinst Du nicht - das sich Dein Bruder freuen würde - wenn er hört, das er Onkel wird ? Nur mal so als Beispiel, für das, was ihr nach hinten stellt.
Auch deine beruflichen Aspekte... es ist zwar schwer durchzuführen, aber es geht.
Als meine Schwester so krank war, heiratete unser jüngster Bruder - sicherlich ein paar Monate vor der Zeit, wo sie sonst geheiratet hätten. Er wollte unsere Schwester ganz sicher dabei haben. Sie hatte eine schlechte Prognose -und ich glaube, sie freute sich richtig, dabei sein zu können. Auch die Konfirmation ihrers Sohnes hat sie noch geschafft, entgegen aller Prognosen der Ärzte - und es gab einfach nicht schöneres, als ihre glänzenden Augen. Ich will nicht damit sagen, das Dein Bruder unbedingt den geleichen Weg gehen wird - wie meine Schwester. Was ich damit sagen möchte ist einfach - das er sich sicherlich darüber freuen wird - wenn Du und andere Familienmitglieder nicht immer nur so traurig und erstarrt wären - sondern weiterleben. Wer weiß - vielleicht könnt ihr ihn damit sogar mit "Leben" anstecken :-))))
Dein Bruder hat sein Leben - und darum kämpft er. Er braucht euch dabei als Stütze. Aber er bekommt mit, das ihr kein eigenes Leben mehr habt - Euch das Leben nicht gönnen könnt.

Aber ihr habt auch ein Leben - das könnt nur ihr Leben.

Ich wünsche Dir alles Gute
elisabeth
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