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Alt 21.07.2009, 22:16
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Blume68 Blume68 ist offline
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Standard AW: Leben - nach dem Abschiednehmen?

Ach, liebe Mapa, wie schön, dich bei mir zu lesen, ich danke dir! Ich freu mich auf dich!!


Liebe Ulli,
ach weißt du, arrangieren mit einer solchen Diagnose...ich habe im LK-Faden oft von Menschen gelesen, die noch weniger Zeit hatten. Viel weniger Zeit. Deshalb bin ich, trotz aller Traurigkeit, dass es so schnell ging, dankbar für jeden Tag, den wir hatten. Wir haben unsere Nähe und Verbundenheit genossen. Wir standen uns immer sehr nah. Nach dem Tod meines Bruders und meines Vaters wussten wir einfach, wie wichtig es ist, die Lebens-Zeit zu nutzen. Nicht arrangieren konnte ich mich mit der Unberechenbarkeit, die diese Krankheit mit sich brachte. Diese verdammte Unplanbarkeit! Dachte man, es ist einen Tag gut, war der nächste garantiert schlechter - so ungefähr.

Ist es besser mit der Zeit, fragst du. Nein, der Schmerz bleibt nicht, wie er im Anfang war. Wie soll man das beschreiben? Jeder würde dir eine andere Antwort geben. Mir ist immer bewusst: ich musste nicht meinen Lebenspartner gehen lassen, das ist nochmal ein großer Unterschied! Eltern gehen nun mal meist vor den Kindern. Der Schmerz ist auch eine Art "Wurzellosigkeit". Ich fühle mich entwurzelt, und es dauert, bis sich neue kleine Wurzeln im täglichen bilden. "Ableger" habe ich nicht.

Da der Kleinzeller grausam ist, und meine Mama gesundheitlich eh angeschlagen, wollte ich ihr nie was vormachen, was nicht sein würde. Gesundwerden, zum Beispiel. Wir haben uns...irgendwie ins Unabänderliche gefügt. Ich habe versucht sie zu motivieren, ihre gute Zeit zu nutzen und zu genießen - sie hat sich bemüht, aber es ist ihr nicht immer wirklich gelungen. Wir haben über alles offen gesprochen, auch über den Tod. Irgendwie tat es...anders weh, sie sie ging, als es heute wehtut. Heute fehlt sie mir im Alltäglichen. Die SMS´e zum Beispiel, weißt du? Der tägliche Anruf. Ich wusste ja, dass es so kommen würde, nur nicht, wann.
Die Antwort auf die Frage, welche Blumen das nun sind, die sie gepflanzt hat, wenn ich sie im Garten nicht erkenne. Sie einfach mal in den Arm nehmen zu können. Für sie da sein zu können! Das fehlt mir vor allem. Und die Gespräche mit ihr, das Lachen, das Weinen zusammen. Ich habe am Wochenende in einen Koffer geschaut, in dem ich ein bischen Wäsche von ihr aufbewahrt habe - der vertraute Duft hat mich fast umgehauen.

Danach stand einiges an bei uns - u.a. ein einschneidender Umzug mit allem Stress drumherum. Da blieb wenig Zeit zum trauern. Jetzt vermisse ich sie mehr. Jede Jahreszeit will einmal zum ersten Mal durchlebt sein ohne sie - es spiegelt sich in ihrem Garten, der jetzt mein Garten ist. Da werden viele Erinnerungen wach, täglich. Schöne, wie traurige. Es kommt alles langsam bei mir. Ich habe Narben behalten aus der Zeit, eine Art...Unbeschwertheit verloren - mehr noch, als bei den früheren gegangenen Familienmitgliedern. Das heißt nicht, dass ich nun dauernd traurig wäre! Mein Lachen habe ich nicht verloren. Aber ich sorge mich ein bischen schneller. Um meinen Mann, um meine Schwester, meine Schwiegermama, um Menschen, die mir nahestehn. Nicht übertrieben, aber ich merke es.

Ich konnte sie gut gehenlassen, meine Mama, weil wir uns so nahe waren. Klingt paradox, aber ist so. Ich habe ihre Wünsche zu meinen gemacht, wir waren uns immer einig, dass sie der Maßstab ist für das, was und wie es geschehen soll. Es war nie gekünstelt - es war...eine große Mutter-Tochter-Liebe. Und Liebe heißt auch, gehenlassen zu können.
Heute habe ich manchmal Angst vor weiteren Verlusten.
Manchmal schau ich in den Himmel und frage ihn da oben: Warum? Wir wollten doch nur den einen Sommer...warum nicht mal der? Und was kommt noch?

Ich wünschte, ich hätte ihr damals gesagt, dass ihr großer Wunsch sich erfüllt - dass wir in ihr Häuschen ziehen. Das hätte sie so glücklich gemacht! Sie hat ihren Garten so geliebt.
Damals konnte ich es nicht - es war einfach zu früh, es sollte wohlüberlegt und keine Spontanentscheidung sein. Ich wollte ihr nichts versprechen, was ich vielleicht nicht hätte halten können...schon gar nicht war es mir möglich, diesen Gedanken zuzulassen, solange sie lebte. Heute macht mich das manchmal traurig, nur wenn ich im Garten werkele, und spüre sie bei mir, dann geht es besser.

Jetzt habe ich soviel geschrieben...dabei sollte es nur eine kleine Antwort auf deine Frage sein, lächel. Aber es tut ja doch gut, seine Gedanken aufzuschreiben.

Liebe Grüße
Blume
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In uns allen findet sich die Quelle höchster Weisheit -
die Quelle der Liebe.
(Thich Nhat Hanh)
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