Thema: Stammtisch
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Alt 27.09.2009, 04:15
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baghira baghira ist offline
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Standard AW: Stammtisch

Hallo an alle,

...hab wirklich gedacht, lass dir Zeit...es wird irgendwann besser! Nachurlaubsdepris...Andrea, ja, ein treffendes Wort oder doch mehr als das?
Was passiert hier mit mir, verdammt noch mal, möchte wieder Boden unter den Füßen spüren! Bin ich grad dabei, mein Leben wieder einmal zu verlieren?
Keine Ahnung, weiß nur, dass es mir immernoch schrecklich schwer fällt, mich hier wieder einzugewöhnen! Ok, liegt grad am Wochenende vielleicht daran, dass die Kids immer öfter unterwegs sind, verlassen Freitags nachmittags unsere Hütte um Sonntags abends heimzukommen und zwischendurch bei ihren Freunden und Freundinnen nächtigen! Möchte es ihnen aber auch nicht verbieten, weil sie schon ein Recht auf ihr eigenes Leben haben! Möchte auch nicht zu den Müttern gehören, die traurig drauf warten, dass ihre Kinder sie Weihnachten besuchen kommen oder die für sie ihre schmutzige Wäsche waschen dürfen! Neh, lieber wär mir schon, wenn sie mal von ihrer alten Mutter behaupten würden: Hey, die war cool, die hat noch selber was aus ihrem Leben gemacht!- Ja, ich glaub, das würd mir gefallen, wenn ich diesen Planeten mal verlassen werde! Und an solchen Wochenenden denk ich manchmal, braucht man eigentlich wirklich 185 m2 Wohnfläche und 100 m2 Nutzfläche und einen Garten, in dem ausser den Hunden niemand sitzt? Oder reicht da nicht doch nur ein kleines Kuppelzelt, ein blauer Himmel und ein unendlicher Horizont...um halbwegs glücklich zu sein?

Meinen Kids predige ich immer, was man angefangen hat, sollte man auch zu Ende führen, zumindest bis zur nächsten Saison- mal Sportmäßig gesehen, also werd ich mich auch mal dran halten und hier weitermachen, wenns noch wen interessiert- grins!

Ok, wir kommen am Waterberg an, erstes Mal zelten, wir werden in die Technik der Kuppelzelte eingewiesen, erstes Mal Essen am Lagerfeuer, erstes Mal Sternschnuppen entdecken und Sternbilder gucken: wo ist das Kreuz des Südens? Aha, ich werd es jetzt immer wiederfinden! Wir sitzen zum ersten Mal alle gemütlich zusammen und stellen uns alle kurz vor, erklären, warum wir in Namibia gelandet sind! Und unser Reiseleiter erzählt uns, was wir am nächsten Tag machen werden und wo es hingeht! Und morgen früh um 6 Uhr machen wir eine kleine Wanderung den Waterberg hoch, um 9 Uhr frühstücken wir dann, bauen Zelte ab, packen Taschen und das Auto und um 10 Uhr fahren wir Richtung Etosha, nach Namutoni. Gegen 15 Uhr werden wir dort ankommen, Ronja du kannst dann schwimmen gehen- es gibt einen Pool! Wie schön, später werden wir aber wissen, wenn X 15 Uhr sagt, meint er in Wirklichkeit 17 oder 18 Uhr- seine Uhr geht nämlich scheinbar anders! Und während wir tagsüber im Auto immer schwitzen, ist es kurz vor Sonnenuntergang schweinekalt, da geht niemand mehr schwimmen!

Also gut, Wecker stellen- wenn man ihn dann findet- 5.30 Uhr, nicht meine Zeit aber diesen ‚Spaziergang’ lass ich mir nicht entgehen! Es geht los und richtig steil nach oben, Frau Schlottermoser wandert übrigens mit Walkingstöcken- klick, klick, klick- geht uns tierisch auf den Keks, aber egal! Unsere 1 stündige, leichte Wanderung (laut Reiseführer) entwickelt sich zur Anstrengung pur, in einem Affentempo kraxeln wir über Felsen und durchs Gebüsch, muss mich manchmal hinsetzen und weiterrobben, weil ich Angst habe, abzustürzen! Werde schon leicht säuerlich, weil ich so was gar nicht mag, vor allem, wenn man keine Zeit hat, um mal rechts und links zu gucken! Als ich auf diesem Felsvorsprung ankomme, sehe ich aus, als ob ich grade geduscht hätte- schweißgebadet, nur so frisch gerochen, hab ich, glaub ich, nicht! Aber ich werde tausendfach durch eine wunderbare Aussicht entschädigt, rote Felsen und ein unendlicher Horizont! Unbeschreiblich! Ausruhen...- Genießen...- Fototime!
Runter geht's dafür um so leichter, der Sonne, dem wohlverdienten Kaffee und dem Frühstück entgegen- Buschhörnchen und Zebramangusten wuseln zwischen unseren Zelten umher, an anderen Stellen werden sich noch Erdmännchen und Schakale dazugesellen!
Weiterfahrt in den Etosha Nationalpark ist angesagt, 3 Tage werden wir hier verbringen allerdings immer woanders! Aber im Zelt auf- und abbauen sind wir jetzt fit und im chaotischem Durcheinander Was wiederfinden auch! Etosha ist einmalig, die Landschaften wechseln stündlich von kargem Kalksteinboden, Salzpfannen, lichten Grasfeldern, sandigen Buschfeldern und leichtgrünen Akazienwäldern und vielem anderen mehr- und das alles immer soweit das Auge reicht! Wir entdecken natürlich die Tiere- alles was unser Herz begehrt: Antilopen in jeglicher Art, Impalas, Oryx, Springböcke, Kudus, Gnus, Giraffen, Zebras, Löffelhunde, Strausse und Trappen und kunterbunte Vögel sowieso! Und irgendwann steht auch der Elefant vor uns, welch ein Glück- vielleicht 5m entfernt, Palaver entsteht im Bus, Herr Schlottermoser redet plötzlich mit seiner Frau (was Tiere so alles bewirken können!) : Guck mal Wölfchen der Ele, der Ele, der Ele...! Wir grinsen uns alle an und denken, entwickelt man sich mit 74 eigentlich in die Kindergartensprache zurück? X bittet ihn leise zu sein, dieses Land gehört den Tieren- aber dem Elefanten reichts, er geht, schade für uns! Abends sind wir zur Abwechslung auch mal in einer Lodge und haben ein schönes warmes Bett und eine ebensolche Dusche! Wir treffen uns alle zum Abendessen in Büffettform, wir brauchen auch nichts machen, ist alles fertig- es gibt Zebrafrikadellen, Kudubraten und Oryxantilope, ist schon komisch- aber lecker! Meine Kids essen so was nicht, werden aber trotzdem satt und halten sich eher an den Nachtisch- Malva Pudding, ist so was ähnliches wie Dampfnudeln! Wir haben alle Spaß, bis auf wenige Ausnahmen, ok, Lodge heisst auch, Essen und Getränke selber bezahlen, ist nicht jedermans Sache, ist aber wirklich nicht teuer! H. aus Bonn spielt mit Ronja fröhliches Tiere raten- hält sich rechts und links einen Esslöffel neben den Kopf, macht einmal Wuff und fragt: Ronja, was ist das? Klar, ein Löffelhund! Die beiden sind wirklich herrlich albern! Welches Tier ist der engste Verwandte des Elefanten? Richtig, der Klippschleifer- er sieht aus wie ein kleines Murmeltier, ist total süss und ihn treffen wir im ganzen Land immer wieder!
Von dem Wasserloch in Okaukuejo hab ich schon erzählt, hier treffen wir auch auf die Schakale, die ständig um die Zelte herumwuseln- wir müssen alles mit rein nehmen, Schuhe und Wasserflaschen und auch die Geschirrkisten müssen gut verschlossen werden! Trotzdem haben die Schakale einen schweren gusseisernen Topfdeckel geklaut und Yannicks MP3 Kopfhörer halb aufgefressen! Probleme gibt es auf den Zeltplätzen eben immer mit dem Strom, meistens haben wir nur 2 Steckdosen zum Laden von diversen Geräten! Eine der Steckdosen gehört grundsätzlich Familie Schlottermoser, die andere teilen wir uns mit 13 Leuten zum Laden von Kameraaccus, Handys und MP3playern. Aber wir kommen klar!

Nach Etosha fahren wir ins Himbaland nach Opuwo, das liegt in den Wüstenbergen des Kaokovelds, erleben einen fantastischen Sonnenuntergang mit Fleecejacken am Pool und Aussicht auf Berge in allen Farbschattierungen. Wir besuchen auch das Himbavolk, die Frauen sind nur mit einem leichten Lendenschurz und tollem Schmuck bekleidet, sie reiben ihren Körper mit einer Mischung aus Kuhmilchfett und roter Farbe ein, wie das riecht kann man sich wohl gut vorstellen! Die meisten unserer Gruppe fühlen sich hier nicht so wohl, wir sollen Fotos machen- wir mögen aber nicht, mir gefällt das gar nicht, wenn Menschen mir so vorgeführt werden! Nur unser bayrischer Pensionär läuft mal wieder zur Hochform auf, fotografiert und filmt wie verrückt leicht bekleidete junge Mädchen, die nicht älter sind als meine Tochter! Dabei verteilt er großzügig Kugelschreiber, wir anderen sind eher peinlich berührt und stellen irgendwann fest, dass die Himbas jetzt zwar jede Menge Kugelschreiber besitzen, aber nicht ein einziges Blatt Papier - wie bescheuert ist das denn?!
Yannick tauscht mit den Jungs fleissig Handynummern aus, er kommt überall bei den Jugendlichen gut an, wird ständig gefragt: Where are you from...Hamburg, Berlin, München? Unseren Ort kennt natürlich kein Mensch....!

Weiter geht unsere Fahrt durchs Damaraland, wir machen auch noch Wanderungen manchmal auch 2-3 Stunden lang- so anstrengend wie am Waterberg, wird es aber nie wieder! Mit Rucksack und Wasserflasche bewaffnet, kraxeln wir in Twyfelfontain und am Brandberg umher, um uns Weltkulturerbe anzusehen- jahrtausende alte Felsmalereien, die White Lady und die Orgelpfeifen! Wir alle haben Spaß, mittlerweile ist unsere Gruppe ein Team, bis auf wenige Ausnahmen, wir genießen die faszinierende Landschaft, rote Felsen, blauer Himmel und erzählen uns dummes, lustiges Zeug- für die ernsten Gespräche ist immer unser Lagerfeuer da, in kleiner übersichtlicher Runde! H. und ich fotografieren viel und mit ähnlichen Kameras, wir haben Gesprächsstoff und viel Lachen: Annette Vorsicht, Frau Schlottermoser von links! Ja, sie rennt uns ständig durchs Bild, schrecklich! Mal von rechts, mal von links, manche Menschen sind einfach total schmerzfrei und rücksichtslos!
Irgendwann kurz hinter Palmwag landen wir auf dem Zeltplatz von Aba Huab, das ist Rhinoschutzgebiet (Nashorngebiet) dieser Campingplatz ist wirklich nichts besonderes, außer- er hat nur eine einzige Dusche! Und die ist wunderschön, ganz einfach- aber mitten im Grünen- man kommt sich vor wie im Regenwald, echt traumhaft! Und ich ärgere mich jetzt noch, dass ich hier nicht fotografiert hab!
Hier in Aba Huab überfällt mich zum ersten und auch einzigen Mal auf dieser Reise mein pelziger Freund, der ja gar nicht dabei ist- er hockt ja in Frankfurt in einem Schliessfach! Weiß auch gar nicht, warum, aber ich schnappe mir mein Safaristühlchen und wandere damit ins ausgetrocknete Flussbett, weit weg von den anderen, die fröhlich zusammensitzen- zu viele Eindrücke sind manchmal zuviel- muss mal kurz nachdenken! X kommt mir nach: Was machst du hier, alles klar mit dir? Ja, möchte nur mal alleine sein! Ok, du darfst das, Rhinos sind weit weg! Weiß er nicht, dass ich auch vor Rhinos keine Angst hab?

In Sesriem steigen wir zum letzten Mal in unsere Wüsten-Bettchen, wir nähern uns Swakopmund, unsere Zeltübernachtungen gehen zu Ende- Iso Matten und Schlafsäcke waren schön kuschelig und weich, und wir alle genießen ein letztes Mal, inmitten von Sternen-Bombast, Brandberg und schnatternden Flughühnern, das unglaublich intensive Gefühl, ein klitzekleines Teilchen dieser Erde und des Universums zu sein.

Unsere Ankunft in diesem eigentlich so beschaulich wirkenden Kaiserbad Swakopmund gerät zu einem Kulturschock: Überall wuselnde Menschen, überall Autos- Linksverkehr, als Fussgänger muss ich aufpassen, dass ich nicht überrollt werde, weil ich mich immer zur falschen Seite umdreh. Nichts wünsche ich mir in diesem Moment mehr, als zurück zu können, in die Natur, in die Stille, in den Busch, in unser kleines Kuppelzelt, an unser abendliches Lagerfeuer. Meine Kinder allerdings sind happy, endlich mal was los- shoppen gehen, Pizza essen, Internetcafe besuchen! Grins, denke mir, glückliche Kindergesichter- hätte ich billiger haben können- z.B. in Oberhausen! Neh, aber ist ok, alles was sie vorher erlebt haben, werden sie auch niemals vergessen! Ich fühle mich zu jeder Zeit sicher hier, lasse meine Kids hier wirklich alleine laufen, sie wollen mal ins Internet- ich möchte ans Meer, es ist unser Atlantik, der gleiche wie in unserem geliebten Frankreich! Möchte wenigstens mal kurz meine Füße reinstecken- und wir verabreden uns wieder am Hotel! Irgendwann find ich auch Spaß am einkaufen, komm mit vielen Menschen ins Gespräch, viele Südafrikaner die nach Namibia gekommen sind, weil Südafrika eben zu kriminell geworden ist- trage mal wieder meinen Zettel an der Stirn: sprecht mich ruhig an- möchte euch kennenlernen! Viel deutsches begegnet uns hier, z.B. Schulen an denen steht: spielen, forschen, lernen! Deutsche Strassennamen und das Amtsgericht, und abends essen wir im Deutschen Haus! Wir haben Aufkleber machen lassen für unser Fliwatüüt und unser Reiseleiter führt uns in typisch afrikanische Kneipen und nun endlich taufen wir unseren Bus mit flüssigem Pfannkuchen und einem Bierchen Windhoek Lager, nach deutschem Reinheitsgebot gebraut, wow, wir sind ne echt coole Truppe- alle, auch meine Kids! Nur die Schlottermosers nicht!

Und.... wenn ich es so recht überlege, hätte hier in Swakop eigentlich unsere Reise zu Ende seien müssen, denn alles was jetzt noch kommt, ist kaum noch zu verkraften, da sind wir uns alle einig! Dabei kommt gar nicht mehr viel, ausser ein klein wenig Namib, Sossousvlei, Fish River Canyon, ein paar Köcherbäume, Giants Playground, mal wieder Windhoek und natürlich ...Abschied nehmen!

....und wenn ihr immer noch Lust habt, Ende und Teil 3...irgendwann!!!

Liebe Grüße und einen schönen Sonntag!

Annette
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Wer nicht traurig seien kann,
hat im Leben nicht getanzt.
(Herbert Grönemeyer)

Geändert von baghira (16.10.2009 um 10:32 Uhr) Grund: Möchte hier eine Namensänderung vonehmen!
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