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Alt 08.03.2004, 09:47
Gast
 
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Standard Jetzt stirbt Du tatsächlich ...

Liebe Heike,

die von Dir angesprochene Ausgeglichenheit ist an jeden Tag ein neues Stück Arbeit. Wie Claudi versuche ich die Leere als Stille zu erleben.
Dieses von Dir beschriebene Zeitvakuum erlebe ich auch. Die Vergangenheit ist noch so real und ich soll sie loslassen, die Zukunft noch so weit weg und noch in keiner Weise greifbar und in der Gegenwart findet kein bewußtes Erleben statt. In der Zeit, die ich heute als mein Wachkoma (die ersten vier Monate) bezeichne, habe ich mich diesem Gefühl ausgeliefert gefühlt und wie Du gewartet, dass etwas passiert was die Situation ändert. Aber von alleine passiert nichts! Es liegt in Dir und aus Deinen Worten spricht die Sehnsucht danach. Das Du Dich nicht mehr an seine Stimme erinnern kannst, ist die Aufforderung dazu, die Vergangenheit loszulassen und ins Leben zurück zu finden. Als mein Mann starb, ist ein Stück von mir mit ihm gegangen und in den letzten Monaten habe ich diesen Teil mit seinem Wesen und seiner Liebe aufgefüllt. Ich beginne mich wieder vollständig zu fühlen und damit wieder lebendig. Dennoch habe ich das Gefühl, dass meine Umwelt von mir erwartet, dass alles wieder ist wie vorher. Ich bin 36, habe einen anspruchsvollen und erfüllenden Job, keine Kinder, bin finanziell unabhängig und dass, was landläufig als „jung, dynamisch und attraktiv“ bezeichnet wird. Es ist ein Fluch! Meine Umwelt erklärt mir, dass es zwar traurig ist, dass ich meinen Mann verloren habe, aber sonst wäre ja alles in Ordnung in meinem Leben. In meinem Leben ist nichts mehr wie vorher! Ich nicht, meine Einstellungen nicht und mein Leben als Ganzes auch nicht. Für die Frauen unseres bisher gemeinsamen Freundeskreises bin ich auf einmal zur Konkurrenz geworden, viele der Männer betrachten mich als „nun zu haben“ und bei den gemeinsamen Unternehmungen fühle ich mich als fünftes Rad am Wagen. Es gibt für mich noch viele Dinge zu ordnen, aber seit ich keine Angst mehr vor dem Tod habe, ist auch meine Angst vor dem Leben weg.
Ich hoffe, dass Du im Glauben an Dich die Kraft findest, nicht mehr mit dem Schicksal zu hadern, die Aufgabe darin entdeckst und aus den Freuden des Lebens die Energie ziehen, die Dich wieder lebendig macht. Dein altes Leben kannst Du nicht wieder haben, aber es wartet ein Neues, eins das Du jetzt selbst gestalten kannst, auf Dich. Veränderung ist der Fluß des Lebens und mit ihm schwimmen bringt weiter vorwärts und Du siehst wo´s hingeht, dagegen paddeln kostet sinnlos Kraft und Du hast das Leben und den Weg im Rücken.

Ich umarme Dich und wenn Du möchtest, dann schreib mir: mucssek1@yahoo.de

Liebe Grüße
Nicole
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