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Alt 09.04.2010, 13:38
Antara-01 Antara-01 ist offline
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Standard AW: Meine liebe Mama, Du fehlst mir so sehr!

Liebe Julita,

ja, wir haben sehr ähnliche Empfindungen und Gedanken. Ich hatte mir das ehrlich gesagt auch einfacher vorgestellt, die "Zeit der Trauer". Ich setze das so in Klammern, weil dieser Ausdruck bei mir immer die Idee geweckt hat, dass das nur eine Phase wäre, die vorüber gehen würde. Aber mittlerweile glaube ich nicht mehr daran. Die Trauer wird uns wohl für den Rest unseres Lebens begleiten. Wir werden lernen müssen, damit zu leben. Wie, das weiß ich noch nicht. Vielleicht wird es ja wirklich eines Tages etwas einfacher. Das wäre uns allen zu wünschen.

Dieses bewusste Abschiednehmen ist auch schlimm. Es mag sein Gutes haben für jemanden, der noch irgendetwas in seinem Leben regeln möchte. Aber bei uns war nichts mehr zu regeln und nichts mehr zu sagen. Wir hatten uns doch schon alles gesagt. Zwischen uns gab es nie ein unausgesprochenes Wort oder ein Misverständnis, das länger als bis zum nächsten Tag gereicht hätte. Von daher hätte sich meine Ma diese Zeit auch sparen können. Sie war nur eine Qual. Von dem Tag an, an dem sie nach dem Rezidiv erfuhr, dass da plötzlich doch eine Metastase ist, wo eigentlich gar keine mehr hätte sein dürfen, von dem Tag an hatten ihre Augen ihren Glanz verloren. Es war nur noch Trauer darin, und das hat sich bis zuletzt nicht mehr geändert, nicht mal für eine Sekunde. Das kann man niemandem wünschen, schon gar nicht der eigenen lieben Mutter. Jeden Tag aufzustehen, in den Spiegel zu blicken und zu denken, so, wie lange denn noch? Wächst es? Verändert sich was? Wann sterbe ich denn nun und wie? Das muss unsagbar schrecklich sein, und noch nicht mal wir, die so dicht dran sind, werden uns auch nur zu 1/10 in diese Situation hineinversetzen können. Mir reicht dennoch schon meine eigene Version davon, wie es wohl in einem Menschen ausschauen mag, der weiß, dass er sterben wird, nicht irgendwann, sondern bald, in absehbarer Zeit, der seinem Mörder jeden Tag im Spiegel sieht und beobachten kann, wie er sich anschleicht, immer dominanter wird und man selbst immer schwächer und weniger. Das ist so unvorstellbar grausam. Rückblickend denke ich auch manchmal, bei der Rezidiv-OP hatte die Narkoseschwester so Probleme mit den Herzrythmusstörungen meiner Ma gehabt. Sie hätte sie fast nicht durch die OP gebracht. Rückblickend erwischt man sich dann beim Gedanken, dass das vielleicht auch besser gewesen wäre. Es hätte ihr so viel Leid erspart. Aber das wussten wir damals ja nicht.

Ich wünsche euch beiden, Julita und Lila.Lilie, nochmals von Herzen viel Kraft für die kommende Zeit!

Auf bald,

Yvonne
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Mama 21.11.1941-09.08.2009 (Zungenkrebs)
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