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Alt 18.09.2010, 07:37
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GreenEye1972 GreenEye1972 ist offline
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Standard AW: Bin ich zu empfindlich?

Hallo zusammen!

NEIN - Du bist nicht zu empfindlich!!!!

Ich schreibe hier als Angehörige, meine Mutter 72 J. hat Brustkrebs - mein Vater verstarb 12/07 an Lungenkrebs. Ich kann hier 3 Berichte zum Besten geben und werde Sie in Kurzform halten - sonst schreib ich mir die Finger Wund.

- Mein Vater war damals grad daheim nach einem Krankenhausaufenthalt. Sein Zustand war zwar stabil - Er fühlte sich auch "recht ordentlich", da wollte der Sohn meiner Mutter (aus erster Ehe mit Frau + Tochter) zu Besuch kommen. Zu dem Zeitpunkt war klar, dass man meinem Vater nicht mehr helfen konnte. Aber die Besuchs-Anfrage kam vorab telefonisch, ob es denn Recht sei. Anwort von meinem Vater: "NÖ! Ich weiss es zu schätzen, aber ich will nicht - es ist mir zuviel und an Mama bleibt alles hängen!" Die 3 sind dann nicht gekommen, hatten vollstes Verständnis für den Entscheid meines Vaters. Der Besuch kam .... wenig später .... zur Beerdigung meines Vaters.

- Seit Vater nicht mehr ist, bin ich mit meiner Mama allein. Sie hat zwar neben Ihrem Sohn noch eine Tochter, aber beide wohnen 800 km weit weg. Sie leiden sehr darunter, weil Sie mal nicht eben vorbei schauen können. Sie können meiner Mom nicht helfen ... und mir auch nicht. Wir telefonieren mehrmals wöchentlich, aber Sie können uns nur mental unterstützen. Es bräuchte aber nur 1 Anruf meinerseits - und beide würden in kürzester Zeit auf der Matte stehen und HELFEN, was zu helfen ist und es wäre egal, ob es kochen, putzen, bügeln, oder auch die "unangenehmen Dinge" sind. Es wäre das selbstverständlichste von der Welt.

- Zum Thema empfindlich: Ich gebe allen meinen Vorrednern Recht, allen. Du MUSST an Dich denken und die Entscheidungen so treffen, dass es für DICH passt, denn wenn der Besuch weg ist, fragt in DEINEM FALL keiner, ob es für Dich toll war und ob Du den Besuch als hilfreich erachtet hast.

Ich weiss gar nicht, wie es schreiben soll - ohne, dass ich hier auf Missverständnis stosse, weil ich absolut KEINEM hier zu Nahe treten möchte, es ist ein sehr schwieriges Thema und ich bin auch mehr als 1x in den Fettnapf getreten und das in meinem Freundes- und Bekanntenkreis. Zum 2. Mal nun muss ich als Tochter zusehen, wie der Krebs erst meinen Vater zugrunde gerichtet hat - nun ist es meine Mutter.

Ich weiss nicht wie es ist, wenn man einem sagt, dass man Krebs hat. Ich weiss nicht, wie man sich fühlt, wenn man tagelang göbelnder Weise in der Ecke liegt. Ich weiss nicht wie es ist, wenn man einem die Ärzte sagen, tut mir Leid, wir können nichts mehr für Dich tun. Ich weiss es schlichtweg nicht. Aber ich weiss, wie man sich fühlt, wenn man als Angehöriger daneben steht und nicht helfen kann. Man hilft wo man helfen kann, opfert sich auf bis zur Selbstaufgabe aber man kann seinen Eltern, den Kindern, oder auch dem Partner nicht das Leiden ersparen. Oft sind es die nächsten Angehörigen, die manchmal einfach die Hilfe von Familienmitgliedern benötigen, um nicht unter der ganzen Last zusammen zu brechen. Und manchmal ist es auch einfach so, dass man als Angehöriger sagt, es ist mir zuviel - ICH bin auch noch da. ICH will den Besuch meiner Tochter, weil ich sie vermisse, weil ich deren Hilfe und Zuspruch benötige. In dem Moment kommt der ganze Egoismus raus, weil man selbst fast nicht mehr kann (zum falschen Zeitpunkt selbstverständlich).

Keine Ahnung, ob Ihr versteht, was ich damit sagen möchte.
Vielleicht kann man es auch so ausdrücken: Immer unter der Vorraussetzung, dass "normale Familienverhältnisse" herrschen, trägt jedes Familienmitglied Euer Leid mit. Ihr seht nicht, wenn der Angehörige nach Hause geht, oder in ein anderes Zimmer geht, die Tür hinter sich zusperrt und sich die Augen aus dem Kopf vor Hilflosigkeit oder schlichtweg wegen Überforderung heult.

Ich wünsche jedem von Euch - auch mir selbst, dass trotz der Diagnose Krebs, das gegenseitige Verständnis füreinander, der Respekt und die Achtung gewahrt werden kann. Nicht nur der Betroffene ist in den Hintern gekniffen, die Angehörigen kneifft es auch!!!!

In diesem Sinne und in der Hoffnung, dass sich hier keiner zu Nahe getreten fühlt, wünsche ich Euch einen schönen Samstag.

LG GreenEye
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