Liebe Sandra,
ich habe mir gewünscht dabei zu sein, wenn meine Mama für immer einschläft. Einige Wochen bevor sie gestorben ist, habe ich es ihr gesagt. Sie hat gelacht und meinte, dass sie das doch nicht beeinflussen kann, wenn es soweit ist...Als Kind habe ich mit dem Thema Tod/Sterben zwei ganz negative Erfahrungen gemacht, die mir viele Jahre später noch übelst mitgespielt haben. Für mich war es sehr wichtig, mit diesem Thema eine Art Frieden zu schließen, auch wenn es meine Ma sein musste. Es war etwas erschreckend zu sehen, wie meine Ma innerhalb weniger Stunden noch mehr gealtert ist und wie ihre Lunge rasselte. Aber es ging doch alles sehr schnell. Beruhigt hat mich nach ihrem Tod ihr schönes, friedliches Gesicht.
Nun war es wirklich so, dass meine Ma auf mich gewartet hat. Die Schwester im Hospiz hatte den Eindruck, als sie an dem besagten Sonntag mit meiner Ma alleine im Zimmer war, dass meine Mutter wollte, dass sie mich anruft. Sie hatte in diesem Moment auch die Augen auf und sah zum Telefon.
Wir hatten eine Patientenverfügung gemacht. Was sollte es auch bringen, einen schwer krebskranken Menschen am Leben zu erhalten?! Damit er von Tag zu Tag noch mehr mitbekommt, wie er abbaut und dahinsiecht?! NEIN, danke. Das würde ich nie zulassen.
Ich finde es schön, dass ihr euch einige Stunden vorher von deinem Vater verabschieden konntet und dass du noch das ein oder andere "loswerden" konntest. Er war dir bestimmt sehr dankbar, dass er die Hand von oben nehmen durfte. Ich habe meiner Mutter auch gesagt, dass sie - wenn sie es möchte - loslassen kann und dass sie sich keine Sorgen machen soll.
Ich freue mich auf den Tag, an dem wir uns wiedersehen. Aber bis dahin vergeht noch seeehr viel Zeit und ich habe Angst, dass ich bis dahin ihr Gesicht oder ihre Stimme vergesse.
Dir auch einen Kraft-
Liebe Grüße
Gaby